Nach Trevoux hielt uns nur noch eine Schleuse von der Rhône ab. Wir waren schon sooo gespannt und auch etwas ehrfürchtig, wie es wohl werden würde. In anderen Blogs wird die Rhône öfters als unberechenbar, strudelnd und eigenwillig beschrieben. Für Bergauf-Fahrern die ins Inland wollen ist sie aufgrund ihrer starken Strömung ein gefühlter Entgegner. Also mal sehen, was sie für uns wird.
Erstmal Vögel beobachten auf der Saône und ein paar Berge waren auch schon zu sehen.
Nach der letzte Saône-Schleuse führte uns die Saône durch die Innenstadt von Lyon. Wir hatten lange überlegt ob wir hier einen Stopp einlegen sollten. Aber irgendwie war uns nicht nach Sightseeing und Großstadt. Außerdem gab es nur einen völlig überteuerten Hafen und einen halben Stadtanleger mittendrin von allem. Irgendwie hätten wir nicht entspannt durch die Stadt bummeln können, wenn Scarlett so frei zugänglich in einer Großstadt liegt. Außerdem wollten wir weiter und wollten unseren „Kilometerflow“ nicht unterbrechen.
Die Fahrt durch die Innenstadt von Lyon war ein Abenteuer für sich. Wir hatten in der Navigationsapp schon gesehen, dass der Fluss dort ziemlich schmal wird (schnelle Strömung) und es rund 20 Brücken gibt (viele Strudel und Verwirbelungen durch Brückenpfeiler).
Also war äußerste Konzentration gefragt und hoffentlich kein Gegenverkehr.
Obwohl wir ziemlich angespannt und konzentriert waren, war es beeindruckend durch eine so große Stadt mit dem eigenen Boot zu fahren. Es war ein sonniges Wochenende, und die Promenaden und Kais voller Menschen. Normalerweise kommen wir aus dem Winken garnicht mehr raus sobald wir durch Dörfer oder Städte fahren aber in Lyon winkte uns keiner. Vielleicht waren sie im ersten Moment zu erstaunt über unsere merkwürdige Erscheinung und dann waren wir aufgrund unserer schnellen Geschwindigkeit auch schon außer Winkweite oder die Großstädter haben es einfach nicht nötig. Paul steuerte hoch konzentriert aber ganz tapfer durch den Brücken-Großstadt-Dschungel während ich jede Menge Fotos schoss, die er sich dann später angucken konnte 😀
Zuerst sah Lyon ganz traditionell aus, mit kleinen Gassen und typischen Häusern für diese Gegend. Aber nach der Innenstadt kam ein futuristisches Viertel mit Gebäuden die wie ein Stück löchriger Käse, ein Ufo oder ein Legohaus aussahen. Das war das alte Hafenviertel, dass neu aufgezogen und modern gemacht wurde. Bürogebäude, Restaurants und Bars waren hier zu finden. Das erinnerte uns an ähnliche alte Hafenviertel in Köln und Münster.
Überall lagen Schiffe. Die ganze Saône war links und rechts zugeparkt. Das meiste waren umgebaute Penichen und Hausboote, die entweder privat bewohnt wurden oder als Hotels und Bars genutzt werden. In Lyon hat man sich Fluss zum Lebensraum gemacht und alles wirkt maritim. Kein Wunder denn auf der anderen Seite der Stadt fließt die Rhône genauso durchs Stadtgebiet bevor sie sich am Rande von Lyon mit der Saône vereint. Das ist schon ein ziemliches Spektakel für eine Stadt. Die entstehende Landzunge wenn die beiden Flüsse zusammenfließen und die Saône ihren Namen an die Rhône abtritt, erinnert mich an die Vereinigung von Kattegat und Skagerrak in Dänemark und scheint ein ähnlich beliebtes Fotomotiv zu seien.
Direkt hinter der Innenstadt von Lyon lag die erste Rhône-Schleuse. Irgendwie wirkte plötzlich alles so groß. Die Schleuse, der Industriehafen, der Fluss, die anderen Boote…jup das scheint wirklich Frankreichs größte Wasserstraße zu seien. Wir legten an dem Sportbootsteg der Schleuse an und meldete uns an. Allerhand Zeug wollte der gute Mann von uns wissen und uns damit für die Rhônefahrt registrieren. Nun gut, wir durften einfahren. Die Schleusen auf der Rhône werden die gewaltigsten und höchsten Schleusen werden, die wir bisher geschleust sind. Von den 13 Schleusen haben die wenigsten eine einstellige Hubhöhe. 11 m, 16 m und sogar 23 m sind hier eher der Normalfall. Wir hatten zum Glück recherchiert, dass es überall Schwimmpoller gab. Also Poller die dem Wasserspiegel folgen und uns somit das Umlegen der Leinen beim Sinken abnehmen. Das war schonmal sehr beruhigend. Auch die Schleusentore funktionierten hier anders. Wahrscheinlich würde die bisherige Bauweisen den hier herrschenden Wassermassen nicht standhalten. Hier fuhren die Schleusentore aus dem Boden nach oben oder von oben nach unten. Teilweise gabs es auch zwei Tore hintereinander und alles sah sehr riesig und gewaltig aus.
Die erste Schleuse hatte einen Hub von 11 m. Das war schon eeecht hoch. Kaum vorstellbar wie das bei 23 m aussehen soll. Die Schleusen lief sanft und problemlos. Der Schwimmpoller quietscht und knarschte. Als ihn etwas blockiert, ein Ast oder eine der vielen Plastikflaschen, zermahlte er es einfach nachdem sein nicht mehr schwimmendes Gewicht zu stark geworden war und krachte wieder auf die Wasseroberfläche. Erwähnte ich schon wie gewaltig alles wirkte?
Das Schleusentor hob sich wie eine gigantische Guillotine nach oben und wir wurden nass, als wir darunter durch fuhren. Das wäre geschafft!
Vielleicht auch nicht, denn der holprige Teil folgte jetzt. Nach der Schleuse folgte eine schmale kanalisierte Strecke. Normalerweise waren die kanalisierten Strecken immer sehr ruhig und strömungsarm, da das meiste Wasser außerhalb im natürlichen Flusslauf über das Wehr führte. Wegen der starken Strömung der Rhône gehört hier zu jeder Schleuse ein großes Wasserkraftwerk, welches das „benutzte“ Wasser dann in den kanalisierten Teil ablässt. Daher hatten wir ziemlich starke Strömungen und Verwirbelungen, die die Enge das Kanals noch bestärkten. Es ging ziemlich ab und wir wurden mit 10 Knoten vorwärts geschleudert… Uns kamen vier große Schiffe mit Volldampf bergauf entgegen. Die brachten ordentliche Wellen mit sich, die sich an den Kanalseiten reflektierten und zurückkamen. So hatte man möglichst lange was von ihnen. Plötzlich flog alles herum in unserer Kabine. Richtig hohe Wellen hatten wir schon lange nicht mehr und da sie uns seitlich erwischten schwankte Scarlett von einer Backe auf die andere. Ich stürzte rein, um das Nötigste festzuhalten und zu retten. Zum Glück ging nichts kaputt. Solche Wellen aufgrund von anderen Schiffen hatten wir das letzte Mal in Bremerhaven.
Nach 10 Kilometer weitete sich der Fluss und unsere Geschwindigkeit pegelte sich auf 7-8 Knoten. Immer noch ziemlich schnell wenn man bedenkt, dass unsere Reisegeschwindigkeit unter Motor bei 5,5 Knoten liegt.
Unser heutiges Ziel sollte Givors sein. Hier war ein kostenloser Schutzhafen angelegt, die es hier und da verteilt auf der Rhône gibt. Das Anlegen klappt super trotz Strömung im Fluss und ungewissen Strömungen in der künstlichen Bucht. Leider waren wir eingesperrt. Der Steg war mit einem hohen Gitter und einem Code an der Tür abgeriegelt. Überall fanden sich Informationen, dass man sich für Strom und Wasser Münzen in der Touristeninformation holen könne, aber ein Türcode war nicht vermerkt. Wahrscheinlich ein Zeichen der Nebensaison. Da wir nichts besorgen, kaufen oder besichtigen wollten war uns das aber recht. Wir setzten uns auf den Steg und beobachteten seit langem mal wieder Möwen, die im Wind segelten.
Wir hatten keinen Moment zu früh angelegt, denn nun wurde es gut windig und auf der Rhône bildeten sich beängstigende Schaumkronen und für einen Fluss ziemlich hohe Wellen. Wir sicherten unser Boot nochmal mit zusätzlichen Leinen, da es nachts und auch am nächsten Tag ziemlich ungemütlich und stürmisch werden sollte. Und so war es auch. Wir waren so froh nicht an einem Steg am Ufer der Rhône festgemacht zu haben, sondern beschützt und abgeschirmt in einem Schutzhafen zu liegen. Wir blieben noch einen weiteren Tag in Givors, da wir uns dem Wetter nicht aussetzen wollten. Paul überarbeitete die Fallen des Masts und spleißte fröhlich vor sich hin und ich strickte an seinem Islandpulli weiter. Aber schön warm war es. Endlich!
15.-17.02.2020