Die Aufhebung des Lockdowns in Frankreich war ein Krimi zum Mitfiebern für Jung und Alt. Nahezu jede Woche gab es einen Stichtag, an dem neue Informationen bekannt gegeben wurden. Dadurch war ich immer gut damit beschäftigt dem nächsten Termin entgegen zu fiebern mit der Hoffnung auf gute Nachrichten. Angefangen hat es am Ostermontag (auch dieser Tag wurde einige Tage im Voraus angekündigt), an dem der Lockdown zwar um fast einen Monat verlängert wurde, jedoch mit der Aussicht auf anschließende Lockerungen. Ende April dann die Bekanntgabe, wie die Lockerungen wahrscheinlich ablaufen würden. Dazu wurde ab dem 01. Mai jeden Abend eine Karte von Frankreich veröffentlicht, in dem die um die hundert Départements Frankreichs farblich dargestellt wurden. Rot, Orange und Grün wurden anhand der Zirkulation des Virus, der Krankenhausbelastung und der Testkapazitäten vergeben. Somit Lunte ich jeden Abend auf die aktualisierte offizielle Karte, um unsere aktuelle Farbe zu erfahren. Wir waren Orange. Bis zu einem weiteren Stichtag, an dem um 15 Uhr (wichtig für die Dramatik) die erstmal endgültige Karte veröffentlicht wurde. In dieser wurden alle orangenen „Wackelkanditaten“ nun endgültig grün oder rot zugeordnet und somit wusste jedes Département nun, inwieweit die Lockerungen lokal durchgesetzt werden können. Zum Glück ist unser Département grün geworden, was bedeutet, dass die Wanderwege und Wälder nun auch wieder öffnen würden… das waren ja schonmal gute Neuigkeiten. Nun galt es noch eine weitere Woche zu warten, bis am 11. Mai die Lockerungen in Kraft treten.
Dieser Tag ist wie Weihnachten und Geburtstag zusammen und genau so hab ich auch auf ihn hingefiebert. Nach 2 Monaten dürfen wir endlich wieder ohne Passierschein raus, länger als eine Stunde am Tag und weiter als einen Kilometer! Wie wunderbar. In den ersten Tagen haben wir trotzdem immer das komische Gefühl etwas vergessen zu haben, wenn wir rausgehen – den ollen Wisch. Wir starten in unseren ersten Tag mit einer Wanderung. Wir machen dieselbe Wanderung wie vor zwei Monaten in der Hoffnung die Alpen wieder zu sehen. Ich habe mich selten so eingerostet und verkalkt gefühlt. Aber Besserung ist ja in Sicht. Die Natur sieht völlig anders aus. Alles ist bunt, summend und blühend. Sehr schnell kann ich mir nicht mehr vorstellen, wie wir es zwei Monate ohne all das ausgehalten haben. Da die Eisheiligen und somit schlechtes Wetter bevorstehen ist es ziemlich diesig und daher gibt es keinen Alpenblick für uns. Aber das wäre auch einfach zu viel des Guten. Auf dem Rückweg halten wir beim Supermarkt und gönnen uns unser erstes Eis des Jahres. Da Paul in den Laden geht und ich draußen warte, bekommt jeder einen riesigen Eisbecher für sich allein anstatt einen zu teilen.. Naja wenn schon Eispremiere dann richtig! Wir setzen uns an das nun wieder geöffnete Ufer der Rhône und genießen die Sonne! Was für ein schöner erster Tag!
Trotz der Eisheiligen und 14 Grad veranstalten wir zwei Tage später einen kleinen Grillnachmittag mit unseren australischen Nachbarn. Wie lange haben wir uns den gegenseitig versprochen und unsere Vorfreude darauf geschürt. Wir verabreden uns an einem Picknicktisch ein paar Kilometer entfernt und die beiden bringen ihren kleinen genialen Grill mit. Es gibt Bier, Musik und australische Burger (mit Rote Beete), die einfach köstlich sind. Wir bringen in Rotwein eingelegte Feigen mit Joghurt, Honig und Walnüssen mit. Die beiden achten auch sehr auf social distance und Desinfektion und so verbringen wir einen gemütlichen und fast schon normalen Nachmittag in Gesellschaft. Eine super schöne Abwechslung.
An den nächsten Tagen machen wir jeden Tag eine andere Wanderung. Immer wieder bekommen wir einen neuen Blick auf das Tal der Rhône, entdecken neue Wälder und Wege oder sehen mal die Täler hinter unseren Weinbergen. Überall stehen Kirschbäume, die proppenvoll und nur an den Stellen abgeerntet sind, wo die vorbeikommenden Wanderer rankommen. Da blutet mir echt das Herz beim Blick in die Baumgipfel voller dunkelroter Kirschen, die einfach ignoriert werden. Aber auch die Feigenbäume, die hier an jeder Ecke stehen, legen ordentlich vor. So dicht bepackt mit Feigen, die nur darauf warten lila und zuckersüß zu werden! Der Wein auf den Weinbergen wird immer grüner und grüner und bildet langsam Reben aus. Überall sprießt der Mohn aus alles Ecken! Da haben wir wirklich einen schönen Flecken Erde zum Festsitzen abbekommen!
Paul hat mit einem Trackingprogramm super viele Wanderwege in der Umgebung rausgesucht und somit haben wir ein volles Programm für die nächsten Tage. Außerdem konnte ich endlich etwas „gärtnern“, da der Gartenladen wieder auf hat. Ich hab Tetrapacks umfunktioniert und bunte Blumenmischungen gepflanzt. Außerdem hab ich zwei Tontöpfe, die wir noch hatten mit Petersilie bepflanzt. Jetzt muss ich natürlich jeden Morgen erstmal meine grünen Sprösslinge begutachten.
Leider ist an weiterfahren noch nicht zu denken. Wahrscheinlich öffnen die Schleusen für Sportboote wieder ab dem 29. Mai aber dennoch gilt in Frankreich die Regel, dass man sich nicht 100 Km von seinem Wohnort entfernen darf. Wir fallen da wohl irgendwie durchs Raster, da unser Wohnort quasi unter uns schwimmt. Aber im Moment wollen wir eh nicht sofort los. Wir genießen erstmal die neu errungene Natur um uns herum und wenn sich die Situation einigermaßen klar abzeichnet (in soweit das überhaupt geht) gucken wir weiter. Das hindert unseren Kopf natürlich nicht daran alle Möglichkeiten immer wieder durchzuspielen, ob man ihm das erlaubt oder nicht. Aber im Moment herrscht zu viel Verwirrung und Unwissenheit darüber was erlaubt ist und was nicht, zumal das in jedem Département anders geregelt wird und einige ja immer noch „rot“ sind. Diese Verwirrung merken wir allein schon im Hafen. Schon vor den Lockerungen hörten wir vom Hafenmeister, dass er dann wieder da ist. Wir freuten uns schon endlich die aufgeschobenen Pakete empfangen zu können. Aber es stellte sich raus, dass er wieder im Büro ist aber das Büro nicht geöffnet hat. Also Post tabu. Oder doch nicht, weil das Büro jetzt doch manchmal auf hat?! Und so geht das immer hin und her. Wir haben uns jetzt dazu entschieden das einfach mal zu probieren und das Paket in die Wege zu leiten, dass schon seit Ewigkeiten bei meinen Eltern liegt. Darin sind die neuen Teile unserer Gasanlage, die wir brauchen um endlich den Ofen wieder anzuschließen und neue Wolle. Wir haben Zettel ausgehängt mit unserer und einer französischen Handynummer drauf (weil die Postboten wohl keine ausländischen Nummern anrufen) und hoffen jetzt einfach auf das Beste. Die Postfilialen machen auch langsam wieder auf, obwohl die Briefkästen immer noch alle zugeklebt sind. Also alles kommt wieder in die Gänge aber sehr wacklig und immer mit der Aussicht, dass der Lockdown jederzeit wiederkommen kann.
Was sonst noch so ging zeigen die nächsten Fotos.. lecker Essen, schöne Sonne, Paul in seinem Lieblingsversteck beim Motor und das worauf ihr alle gewartet habt: Schwanenbaby!!
Leider nur ein einziges kleines süßes graues Knäul. Es waren wohl mal sechs Eier im Nest, so erzählt man es sich im Hafen. Als das Kleine geschlüpft ist, lagen nur noch zwei weitere Eier im Nest. Seit zwei Tagen schwimmt die Jungfamilie im Hafenbecken herum. Demnach gibt es wohl keine Hoffnungen für die letzten beiden Eier. Umso wichtiger ist es, dass der blöde Wels seine Flossen von dem kleinen Plüschi lässt. Gerade eben ist das Schwanenbaby auf dem Rücken der Mama an unserem Boot vorbei transportiert worden. Wirklich wirklich süß!
Ooooooh, dass sieht sooooo schön bei euch aus!
Die Freude über die wiedergewonnene Freiheit sieht man jedem Spaziergangfoto an 🙂