Dies könnte der letzte Blogbeitrag aus unserer temporären Heimat Condrieu werden… Aber eins nach dem anderen!
Der harte Lockdown war aufgehoben, und wir konnten – immernoch vorsichtig und auf die Gesundheitsregeln bedacht – endlich die Gegend hier genießen und erkunden 🙂 Was für ein tolles Gefühl, wieder Freiheit zu spüren und unsere eingerosteten Körper langsam wieder aufzubauen.
Als Höhepunkt unserer Ertüchtigungsübungen haben wir eine Wanderung von 16 km unternommen, über den Hügelkamm im Osten und durch die mit Feldern und Kirschbäumen durchzogene Ebene dahinter. Man waren wir platt, aber es war einfach wunderschön!
Unsere mega lieben Australier, die hier zu unserem engsten Freundeskreis geworden sind, laden uns ständig zu Bier und Sundownern auf ihrer großen Segelyacht ein. In ihrem enormen Cockpit können wir uns alle ganz entspannt hinfleezen ohne dabei die Abstandsregeln zu verletzen. Sie überhäufen uns teilweise mit richtig tollen Dingen (wie zum Beispiel den aktuellen Fluss- und Kanalführern für Frankreich, die sie nun nicht mehr brauchen), Unmengen an gekühltem (!!!) Bier, Wein und leckrem Essen und sind einfach immer richtig lieb. Zum Beispiel haben sie uns angeboten ihre E-Bikes auszuleihen. Also haben wir die Gelegenheit genutzt und eine ausgedehnte Radtour nach St. Pierre-de-Boeuf unternommen. Also es waren E-Bikes… also „Radtour“. Es ist erschreckend, wie schnell man sich an das unterstützte Treten gewöhnt, normales Radfahren erschien uns nach der Tour unglaublich anstrengend 😀
Nochmal ein herzlichstes Dankeschön an die beiden! Wir genießen eure Gesellschaft sehr 🙂 Er hat auch mal einen Abend für uns richtig leckeres Steak gezaubert, und ich glaube es gab mehr als einen Morgen mit leichtem Kater 😛 Da die beiden schon so lange auf allen Weltmeeren unterwegs sind, haben sie ein paar echt spannende Geschichten auf Lager. Solche Geschichten von jemandem im persönlichen Gespräch zu hören, ist schon was ganz anderes als das über Youtube oder Segelbücher zu erfahren. Wir werden sie vermissen!
Ach ja, wir waren mit den beiden und einem französischen Pärchen, mit dem sie befreundet sind, auf dem lokalen Wochenmarkt gewesen. Das war so richtig klischeemäßig französisch! Und sooo lecker. Neben einem großen Haufen an frischem Grünzeugs haben wir uns zwei Lachssteaks gegönnt, die wir trotz horrendem Preis sehr genossen haben 🙂
VNF meinte offiziell auf ihrer Website, dass die Sportschifffahrt ab dem 29. Mai wieder erlaubt sei. Nach einigem Hin und Her an Informationen, wobei wir Bekanntschaft mit der berüchtigten französischen Bürokratie und dem damit einhergehenden langsamen Informationsfluss machteb, schien es, dass ab dem 2. Juni wieder normaler Verkehr möglich sei. Die Hafenmitarbeiter hier haben uns sehr geholfen, und sind generell immer äußerst zuvorkommend und hilfsbereit. Wir hätten es wirklich kaum besser treffen können für die Zeit hier. Da wir nicht allzu sehr in Eile sind, haben wir dem ganzen noch eine Woche Puffer zum Einpendeln gegeben, sodass unser aktueller Abfahrtstermin am 8. Juni ist. Ja, und wohin? Dazu später mehr 😛
Wir hatten damit endlich wieder ein Ziel vor Augen. Und das war dringend nötig, nach den letzten drei Monaten ohne Perspektive… das kann einem ganz schön die Motivation versauen. So kommt es auch, dass wir in der Zeit hier im Lockdown echt nicht viel geschafft haben – was auf seine Art auch ziemlich gut war, denn so hatten wir viel Zeit uns mit uns und unseren Vorstellungen zu beschäftigen, alles zu hinterfragen um jetzt auf umso festeren Füßen zu stehen.
Doch nun hatten wir einen Abfahrtstermin, und all die unerledigten Projekte wollten angegangen werden. Es folgten einige sehr arbeitssame Tage, nach denen man Abends müde und zufrieden dem Sonnenuntergang mit einem Bier oder Sundowner genießen konnte.
Kevin brauchte ein bisschen Aufmerksamkeit. Einige Anbauteile lösten sich und wollten geklebt werden, und der Heckspiegel musste überarbeitet werden. Achso, und ganz wichtig: Endlich ein ordentlicher Schriftzug für den Namen!
Dann schüttelte sich unser Motor seit einiger Zeit schon etwas zu sehr, und die Propellerwelle lag wohl genau in Resonanz im Standgas. Dazu war ich ja letztens schonmal im Motorraum und habe die Motorlagerung untersucht. Sie sah gut aus. Glücklicherweise hat der Australier ordentlich Ahnung, und stand mir mit Rat und Tag beiseite. Zusammen haben wir alles angeschaut, ausprobiert und durchdiskutiert. Was dazu geführt hat, dass ich zur Sicherheit doch noch tauchen war um mir den Propeller und das achterne Lager unter Wasser anzuschauen. Trotz 19°C Wassertemperatur war das eine Überwindung, wozu die Geschichten über riesige Welse und die übliche Abwasserführung von Booten sicherlich beitrugen. Wir waren beide sehr sehr bange was ich dort vorfinden würde, denn wenn dort unten irgendwas nicht stimmte würde dies alle unsere weiteren Pläne mal wieder durchkreuzen. Doch der Tauchgang lohnte sich, der Propeller, die Lagerung und das Ruder sahen fantastisch aus 🙂 Die schönste Aussage dieser Tage kam von unserem Lieblingsaustralier: „Now you’re definitely gonna make it home“!
Ein großer Punkt auf unserer Projektliste war Komplett-Refit unserer Gasanlage. Die alten Leitungen waren teilweise einlaminiert und sahen gefährlich korrodiert aus, der alte Gaskasten war ein Desaster. So naiv wie wir waren, dachten wir zu Beginn der Reise, dass wir das alles unterwegs erledigen könnten. Doch die Realität holte uns ein, denn es kann verdammt schwierig sein an die benötigten Teile zu kommen wenn man unterwegs ist. Dazu kommt, dass zu Zeiten des Lockdowns postmäßig gar nichts ging. Das war zum Glück vorbei, das Paket (unter anderem mit den Gas-Ersatzteilen) war versendet und um es auch ja nicht zu verpassen, haben wir stundenlang vor dem Hafenamt auf den Postboten gewartet.
Auch hier nochmal ein großes Dankeschön an unsere Aussies, die uns ihre Festival-Stühle geschenkt haben 🙂
Oh man war die Freude groß als das Paket endlich da war. Auch wenn sie nur kurz anhielt, denn nun kam Arbeit auf mich zu 😀
Es lief dann aber überraschend gut, und schwuppsdibupps hatten wir eeendlich wieder einen funktionierenden Gasherd und -ofen. Was dann folgte war die Mühe allemal wert 🙂
Ansonsten standen (und stehen noch) viele kleinere Projekte an: hier noch ne Schraube, da noch was ölen, dort noch ein bisschen aufräumen, Wasserkanister reinigen, volltanken, die Waschmaschine ein letztes Mal nutzen, Öl- & Filterwechsel der Maschine, Impellercheck, Deck aufräumen, Spinnenweben entfernen… kurz: wieder einigermaßen seetüchtig werden! Noch vier Tage, und plötzlich werden lange nicht genutzte Stresshormone wieder frei…
Das Leben genießen wir trotzdem 🙂
Bei einer unserer ersten Wanderungen haben wir die Alpen am Horizont gesehen. Das wollten wir unbedingt nochmal erleben, bevor wir ablegen. Und was könnte schöner sein, als dies Abends im Sonnenuntergang zu tun. Also erstmal die Hängematte im benachbarten Wake-Park aufgespannt um Energie zu tanken, und dann rauf da!
Okay.
Und wie geht’s nun weiter?
Wir hatten nun wirklich viel Zeit zum Nachdenken, Pläne schmieden, abwägen und informieren. Das war nicht leicht! Doch wir haben nun eine Entscheidung getroffen, mit der wir uns sehr wohl fühlen. Wir fahren Richtung Norden, also einen ähnlichen Weg zurück den wir hergekommen sind, um den restlichen Sommer so gut es geht in Skandinavien zu segeln. Wir hoffen, dass wir dann im Herbst nach Kiel zurück kommen und Scarlett über Winter an Land ziehen.
In der aktuellen Lage mit Corona, den vielen Grenzschließungen und der drohenden zweiten Welle denken wir, dass wir unser Glück nicht herausfordern sollten. Es geht uns fantastisch auf Scarlett, Segeln in Skandinavien stand sowieso auf dem Zettel und ein zweiter Lockdown im Mittelmeer mit den horrenden Marinapreisen würde uns ganz schön doof aus der Wäsche gucken lassen.
Die Route wird voraussichtlich so aussehen, dass wir Rhône und Saone wieder hinauftuckern, dann aber in den Rhein-Rhône-Kanal abbiegen und von dort aus den Rhein und die norddeutschen Kanäle in Nord- oder Ostsee nehmen. Wie es dann weitergeht müssen wir spontan schauen. Ein Traum wäre Segeln durch Dänemark und die schwedischen Schären, aber eins nach dem anderen. Wir freuen uns auf jeden Fall schon sehr, irgendwann den Mast wieder zu stellen und segeln zu können <3
Im Moment checken wir täglich die Schifffahrtsmeldungen und Pegelstände unserer französischen Route. Anscheinend ist die Rhone und Saone seit gestern wieder freigegeben. Offizielle Informationen dazu sind aber rar. Wir kennen auch jemanden hier aus dem Hafen, der zu früh losgefahren ist und dann mehrere Tage vor der nächsten Schleuse warten musste. Auf den Binnenwasserwegen ist man einfach nicht so frei wie auf dem Meer, und abhängig von den Behörden. Allerdings haben auch schon paar Boote unseren Hafen gestern und heute passiert. Zusammen mit den Australiern, die ihre Binnenreise abgesagt haben (ihr Traum seit 25 Jahren!) und wieder Richtung Süden wollen, beraten wir uns beinahe täglich wie und wann wir alle losfahren. Wir sind zuversichtlich, dass wir gut durchkommen wenn wir mit einer Woche Verzögerung nach der offiziellen Freigabe losfahren.
Das heißt, in 4 Tagen geht es los. Plötzlich geht alles ganz schnell. Zu schnell? Wir haben uns sehr an das chillige Hafenleben gewöhnt, haben hier Freunde gefunden, man kennt sich, alles ist vertraut. Vor uns liegt Ungewissheit und Abenteuer. Es gibt viele Momente, in denen wir sentimental unsere kleine temporäre Heimat betrachten und uns fragen, warum wir nicht einfach den Sommer hier verbringen. Unaufgeregt und in Sicherheit. Es gibt aber auch die Momente, da freuen wir uns riesig auf die Fluss- und Kanalroute im Sommer, auf die vielen Abenteuer und darauf, endlich wieder zu segeln. Eigentlich können wir es kaum noch erwarten, und wären am liebsten sofort in Dänemark. Schwer vorstellbar, dass wir weitere 5 bis 6 Wochen durch Frankreich und Deutschland tuckern werden.
Aber hey, endlich haben wir wieder ein Ziel und eine Perspektive vor Augen. Das tut einfach sooo gut!