Kanalfinale

Nachdem die letzten beiden Tage voller wunderschöner Besuche war, wollten wir eigentlich heute um 8 Uhr losfahren. Beim Frühstück schauen wir uns jedoch tief in die Augen, und beschließen – im Angesicht der fetten Regenwolken – nochmal in die Koje zu kriechen. Wir waren wirklich fertig, so langsam konnte man das nicht mehr zurückhalten…

Stattdessen haben wir dann um 13 Uhr abgelegt. Nachdem wir vom Mittellandkanal in den Elbe-Seiten-Kanal abgebogen waren, legten wir uns nach einem ansonsten sehr ereignislosen Tag in Osloß an die freie Kanalwand.

Eintönig, grau und schnurgerade… Hurray norddeutsche Kanäle!

Weiter geht’s am nächsten Tag, diesmal wirklich um 8 🙂 Doch, die Freude währte kurz…

Nach rund eineinhalb Stunden macht es plötzlich wwrrriischklonk und unsere Motordrehzahl entschließt sich für nen Halbtagsjob. Dazu schüttelt sich Scarlett wie eine falsch beladene Waschmaschine. Also: Wir haben mal wieder mit unserer Schraube gefischt. So eine …! Na zum Glück keine Dieselpest. Doch, oh Wunder, oh #Paul-Glück! Direkt in 50m Entfernung vor uns befindet sich ein Steg der Wasserschutzpolizei. Da steht zwar ganz groß und fett „Anlegen verboten“, doch wer seinen Kanal nicht sauberhalten kann soll sich mal nicht so anstellen.

Also ran da bei niedrigster Drehzahl, Neo raus und gar nicht erst lange nachdenken was hier alles so im Wasser schwimmt…

Ein kleiner Wischmob… Das war wohl mal ein Festmacher einer der großen Pötte, nur war das Seil völlig aufgedröselt (und dachte sich: Hmm, ich schwimm jetzt einfach mal mitten durch die Fahrbahn und streck den Daumen raus). Das war gar nicht leicht von der Schraube zu bekommen, ne scharfe Klinge war machtlos weil das alles so lose war. Da half nur ein langer Atem und puzzeln.

Dann war das geschafft, die Polizei hatte sich auch nicht zu uns ran getraut und zum Dank verflogen die Wolken!

Nach weiteren ereignislosen zwei Stunden erreichten wir die Schleuse Uelzen. Ziemlich unerwartet holte uns die Gewissheit ein, dass diese Schleuse unsere höchste werden sollte: 23,5m. Höher als alle Rhone-Schleusen. Oh ha! Als wir da ankommen, werden wir fix noch mit reingewunken und alle warten auf uns. Alle? Ja, ein großer Pott und 3 Sportboote haben schon an Schwimmpollern festgemacht. Also nochmal richtig Gas geben und hinterher. Für uns war ja noch eine Schwimmpoller-Nische frei. Jup, die Nische war frei… aber da war kein Poller. Oh Shit! Ansonsten gab’s nur noch die Leiter, an der durfte man aber wirklich nicht festmachen, und 23,5m Schleusenhöhe über eine Leiter zu fieren wäre auch kein Zuckerschlecken gewesen. Oh oh oh…

Nachdem wir halbwegs panisch anfingen, rückwärts wieder aus der Schleuse zu setzen, rief uns der Skipper vom benachbarten Motorboot zu: Hee, geht doch bei uns längsseits zum Schleusen. Ja mega!!! Das war sogar noch besser als an einem Schwimmpoller festzumachen. Vorleine ran, Heckleine ran, Motor aus. So sieht sorgenfreies Schleusen aus, und aus dem ersten Schreck wurde die entspannteste Schleusung überhaupt! 😀

Weiter ging es durch den recht eintönigen Elbe-Seiten-Kanal. Immer geradeaus und viel Wald ringsum. Da kommt ein Kindergeburtstag zur Abwechslung mal ganz recht …

… oder ein blinder Passagier.

Die Nacht haben wir in Bad Bevensen an der Wand verbracht. Hier lagen einige andere Boote, die anscheinend auch auf der Durchreise waren und die kostenlose Liegemöglichkeit hier nutzten. Wir schlenderten gemütlich durch das Örtchen zum nächsten Supermarkt, und wurden von einem vorbeiziehenden Großväterchen dazu beglückwünscht, in dieser tollen Stadt festgemacht zu haben. Naja, er wird seine Gründe gehabt haben.

Neuer Tag, neues Glück! Heute stand das Schiffshebewerk Lüneburg (38 Höhenmeter) auf der Speisekarte. Wir fahren in den äußerst großen Vorhafen ein, und werden über Funk informiert dass wir gleich die nächste Kammer bekommen. Mega! Allerdings sollen wir einen Schubverband vorlassen: Dieser wird in die Kammer einfahren, die vordere Schute abkoppeln, und wieder rückwärts herausfahren. Er ist wohl zu lang als ganzes. Die vordere Schute fährt dann führerlos nach unten, und wird dort von einem Schlepper rausgezogen und später wieder an den Schubverband gekoppelt. Krass! Und wir da mit drin. Das Verrückteste überhaupt ist jedoch die Anlage an sich. Es ist keine Schleuse, sondern ein Fahrstuhl für Schiffe. Ein Becken in Form einer Schleuse – mit Schiffen darin – wird abgekoppelt, und fährt dann an Stahlseilen nach unten. Einzig, die Fahrstuhlmusik fehlt. Doch die Aussicht entschädigt!!!

Einer netter Matrose auf der Schute meinte zu uns, dass wir mal ganz nach vorne laufen sollten (jaja, verboten, blabla, macht jeder so). So ist dieses Foto entstanden. Grandiose Aussicht!

Die ganze Aktion hat nur ne knappe dreiviertel Stunde gedauert. Wobei das eigentliche Bergabfahren nur ein paar Minuten dauerte. Läuft!

Dann noch ein kurzes Stück Kanal, und schon waren wir auf der Elbe. Ups, hier war ja nochmal ein Fluss den wir bergauf fahren mussten. Zieh, Scarlett, zieh. Aber es waren zum Glück nur 4 km. Hier war es, als wir bemerkten wieder im Norden angekommen zu sein.

Lauenburg

Vier Kilometer elbaufwärts, in Lauenburg, ging es für uns in den Elbe-Lübeck-Kanal. Der allerletzte Kanal – Endspurt!

In diesem Kanal sollte es sehr wenige Liegestellen geben, deswegen erlauben die Schleusen es oft dass man an deren Wartepontons übernachten kann. Kurz mal telefonisch abgecheckt, und rein ins Gewusel. Zu fünft sind wir die ersten drei Schleusen des Kanals durchfahren: Lauenburg, Witzeese und Mölln. Manche von den anderen Motoryachten hätten wir gerne abgehängt – oder, realistischer, davonziehen lassen…

Die Schleusen hier im Elbe-Lübeck-Kanal waren extrem entspannt im Vergleich zu den hunderten Schleusen der letzten Monate. In einer der Schleusen wurden wir sogar empört vom Schleusenmeister angehalten, die Maschine auszuschalten beim Schleusenvorgang. Ich hab erst nicht verstanden was er meinte… bei dem was wir bisher erlebt hatten war ich mehr als einmal froh gewesen nur den Gang einlegen zu müssen (ohne vorher nach drinnen zu hechten und Scarlett’s eisernes Segel zu setzen). Doch hier im gemütlichen Norden, konnte man sich locker mit zwei Fingern festhalten. Wären doch nur alle Schleusen so gewesen. Andererseits hätten wir dann doppelt so lange gebraucht, denn die Schleusung hier dauerte eeeewig…

Die Nacht über lagen wir vor der vierten Schleuse, genannt „Donnerschleuse“. Sie wurde nur mithilfe des Staudrucks des höheren Fahrwassers betrieben, nach irgendeinem genialen Erfinder von anno dazumal. Nebeneffekt war, dass sie ständig Druckluft abbließ, Wasser irgendwo durchfließen ließ und einfach durchgängig einen Höllenlärm machte wie ein Wasserfall. Und das, obwohl es nach Feierabend und die Schleuse abgeschaltet war!

Der Halteplatz davor war jedoch malerisch! Diese einmalige Gelegenheit konnten wir uns nicht entgehen lassen die Hängematte aufzuspannen und einen Anblick auf Scarlett zu erhaschen, den man so wohl nie wieder haben wird 😀 Zurück auf dem Meer legt man eigentlich nie driekt neben einem Weg oder überhaupt dem Land an. Da ist immer ein Steg oder gar eine große Marinaanlage. Direkt an einer Wand anzulegen und einfach vom Boot auf die Straße zu hüpfen ist schon sehr speziell für ein eigentliches Segelboot.

Einmalig schöner Liegeplatz (bis das Geld für die Villa mit Privatsteg zusammengekratzt ist)

Am nächsten Morgen starteten wir in aller Herrgottsfrüh in unseren allerletzten Tag auf Binnengewässern. Der Tag war perfekt, die Sonne schien uns aufs Meer einstimmen zu wollen.

Es war wirklich sehr früh am morgen!

Und zack, war’s geschehen! Die letzte Schleuse unserer Reise (hoffentlich)!!! Es reicht, wir können sie nicht mehr ausstehen 😀 Insgesamt haben wir 401 Schleusen gemeistert. Vierhunderteins. 401. (Ja, ich bin ein bisschen froh darüber dass es nicht 398 oder 396 oder 399 geworden sind 😛 ).

Letzte Schleuse, für immer! Mindestens!!!

And here we are: Lübeck! Was für eine Erleichterung. Das wäre geschafft! Neun Monate ist es her… Und der eigentliche Spaß sollte ja jetzt erst kommen 😀

Hallo Seeluft, Hallo maritimes Leben, Hallo Segelschiffe mit stehenden Masten, Hallo Möwen, Hallo Hafen!

… und oh, Hallo riesige Seeschiffe. Dagegen wirken die Binnen-Pötte wie ein feuchter Pups!

Wir hatten von unserem befreundeten Schwedenpärchen gehört, dass sie an der Teerhofinsel ihre Masten stellen würden. Also genossen wir unsere wiedergewonnene Wegefreiheit und fuhren dort vorbei, drehten eine Kreis hinter ihrem Heck, winkten und hielten sie effektiv von der Arbeit ab. Sie wirkten allerdings gerade schwer eingespannt, weswegen wir uns für einen der kommenden Abende verabredeten.

Also auf in den Hafen, in dem wir die Masten stellen wollten. Der lag an der Herreninsel, und der Hafenmeister hatte uns am Telefon äußerst kulant zugesichert dass er zum einen unsere Pakete annehmen würde, und wir zum anderen den ganzen Tag den Mastenkran belegen durften – der hatte ja gerade zum Glück Off-Season 🙂

Highlight des Tages: Das Wasser ist salzig 🙂

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