Nach zwei Tagen Ankern gehts weiter Richtung Norden. Ich nehme den Anker auf während Paul unser Großsegel klarmacht und wir unter Segeln von unserem Ankerplatz Abschied nehmen. Wir rollen die Genua aus und dann geht es mit südlichen 4 Bft Richtung große Beltbrücke. Wir nehmen das Großsegel rüber, damit wir den Rückwind im Butterfly (Genua steht auf der einen Seite und das Großsegel auf der anderen Seite, damit sich nichts abdeckt) richtig ausnutzen können. Wir werden von hinten überholt. Eine 12er-Yacht schiesst an uns bloß mit Gennaker vorbei. Was für eine Schönheit namens „Thea“. Und schon ist Paul dabei sie zu googeln. 12er-Yachten sind ja schließlich was besonderes und die Thea anscheinend noch mehr denn sie ist von 1918 und somit im Vergleich ziemlich alt – doch sowas von „in Schuss“.
Kurz vor der gigantischen Brücke frischt der Wind deutlich auf und die Wellen werden größer. Wir beschließen in den Hafen von Nyborg zu fahren. Das hat auch der Traditionssegler vor, der kurz vor uns in die Bucht von Nyborg abdreht. Einen „Tradi“ unter Segeln und dann auch noch so dicht zu sehen ist immer etwas ganz besonderes und nur möglich, wenn man selbst auf dem Wasser unterwegs ist. In Küstennähe haben sie ja meistens schon einige Segel wieder runter genommen. Dieser aber nicht. Wir beobachten wie er unter vollen Segeln in den Stadthafen reindüst und das obwohl der Wind gut pustet. Beeindruckend und mutig!
Wir fahren in den Sportboothafen und dort angekommen drehen wir unsere Kreise, da auch dieser Hafen wieder propenvoll ist. Wir nehmen die einzige Box ins Visier, die ein grünes Feld hat. Netterweise weist uns eine deutsche Frau von einer Yacht gegenüber darauf hin, dass auf dem grünen Schild in kleiner Schrift steht, dass die Eigner der Box heute zurückkommen. Die Frau habe da eben schon angelegt und es leider zu spät gesehen. Wie lieb, dass sie uns das jetzt erspart hat. Wir fahren aus dem Hafen wieder raus und versuchen es nebenan im Fischerei- und Stadthafen. Dort liegt die elegante 12er-Yacht, die uns vorhin mit so viel Leichtigkeit überholt hat. Auch andere große Pötte liegen hier an der Wand. Genau für solche Schiffsgrößen sind solche Wände ja auch gedacht. Auch der Traditionssegler liegt hier. Aber wir müssen uns garnicht halb unerlaubt zwischen die Großen drängen und denen Platz wegnehmen denn am Eingang des offensichtlich neu angelegten Hafenviertels sind unzählige Boxen frei. Es liegen immer vier Boxen zwischen hohen verglasten Wohnhäusern. Dann kommt eine Terrasse, die über dem Wasser hängt und daneben kommen die nächsten Boxen und alles ist frei. Wir überlegen ob dies Privatstege sind aber sie haben grüne Zeichen und scheinen zum Hafen zu gehören. Wir legen an und können es nicht fassen. Warum genau drängeln sich alle drüben im Sporthafen? Der sieht doch aus wie jeder andere Hafen auch. Aber hier liegen wir zwischen Häusern mit Blick auf die schönen großen Schiffe aller Art. Wenn die Bewohner der Häuser aus ihren Fenstern gucken, sehen sie auf Augenhöhe unsere Masten. Irgendwie witzig und auch wieder so schön zu sehen, wie dicht die Dänen am Wasser sind und wie sehr das Meer mit allem drum und dran in ihrem Leben integriert ist.
Nachdem wir angelegt haben trauen sich auch andere hier hin. Neben uns legt eine kleine Familie mit einer modernen Yacht an und Paul hilft bei den Leinen. Da sie solche Hilfe anscheinend nicht oft bekommen werden wir gleich zu einem Anlegebier an Bord eingeladen. Guter Deal für mich, da ich ja überhaupt nichts gemacht hab außer doof zu gucken. Die beiden sind mit ihrem kleinen Sohn (3 Jahre) unterwegs und das ist ganz schön trubelig – wie wir erfahren. Das ist nochmal so eine ganz andere Aufgabe mit einem Kind an Bord, welches schon laufen kann und aktiv ist. So richtig zufrieden wirken sie mit ihrem modernen Boot auch nicht. Eigentlich wollten sie damals ein altes träges Boot kaufen aber dann gab es den Rennschlitten sehr günstig, da es ein altes Charterboot war und das Angebot war wohl unschlagbar. Trotzdem linsen sie immer wieder zu unserer etwas anderen Scarlett. Die beiden sind super freundlich und offen. Ihre Augen blitzen als wir von unseren Erlebnissen erzählen. Wir reden über Jobs, gute Angestellte, den Sinn bzw. Unsinn sich seine Träume bis zur Rente aufzuschieben und das Leben im Allgemeinen. Die beiden sind selbstständig und haben einige Angestellte. Sie machen uns Mut indem sie sagen, dass sie jemanden wie uns und mit unserem Mut und Tatendrang sofort einstellen würden. Solche Leute braucht man. Er sagt um die sieben Mal, dass wir genau das Richtige machen. Mal wieder eine dieser Situation in denen wir nur verlegen drein gucken können und „ja wahrscheinlich“ sagen. Trotzdem tut es uns wirklich gut das zu hören. Es bekräftigt uns jedesmal in dem was wir tun und manchmal braucht man genau das. Denn man kommt garnicht umhin sich manchmal über das „Danach“ sorgen zu machen auch wenn eh immer alles anders kommt und sich schon einrenkt. Die Gedanken lassen sich manchmal einfach nicht abstellen.
Da für die nächsten Tage stürmischer Wind angesagt ist, wir immernoch nicht genug Entspannung bekommen haben, wir gerade etwas Hafensicherheit wollen und es ein „4 für 3“-Nächte-Angebot gibt, beschließen wir noch etwas zu bleiben. Ist ja auch schön hier. Die nächsten Tage streunern wir durch die Innenstadt, bummeln durch die Läden und den Stadtpark.
Wir besorgen uns eine neue Simkarte für unser Bord-Wlan (200 GB für 17 Euro!!!! ->Dänemark rules – Deutschland was ist dein Problem mit Internet?!?!). Die Simkarte gibts übrigens ganz einfach und unkompliziert in jedem Supermarkt. Wir machen eine kleine Wandertour zum nächsten Strand. Direkt mit Blick auf die Große- Beltbrücke. Sie verbindet Ost- mit Westdänemark und ist lang und beeindruckend. Sie ist die drittgrößte Hängebrücke der Welt. Wir als kleines Minisegelboot werden allerdings nicht durch den hängenden Teil der Brücke fahren sondern durch ein kleine Durchfahrt im westlichen Teil. Wir spazieren den Strand entlang und lassen uns in den Sand fallen. Schnarchen etwas weg. Ist auch zu verlockend mit der leichten Brise, die über einen hinweg weht, und der wärmenden Sonne.
Am nächsten Tag regnet es nur aber auch das ist okay. Wir gammeln rum, Paul arbeitet etwas am PC, ich schreibe Blog und backe Zimtschnecken und irgendwie geht der Tag schon um. Bei Regen ist es ja auch immer sehr gemütlich im Boot. Wie in einem riesigen Zelt mit prasselndem Regen.
Um eine weitere Nacht im Hafen zu sparen, legen wir uns am späten Nachmittag in eine benachbarte Bucht vor Anker.
Der Wind nimmt auch langsam wieder ab und morgen kann es weiter gehen. Die Nacht wird sehr schaukelig. Es ist fast windstill aber in regelmäßigen Abständen rollen ganz lange und kaum sichtbare Wellen in unsere Bucht und schaukeln uns ordentlich durch. Scarlett rollt und rollt und rollt, hin und her und hin und her… Da müssen wir uns nachts gut festhalten. Nicht selten ruft einer von uns beiden fragend aus, wo diese dämlichen Wellen denn nur herkommen. Langsam beginnen wir zu verstehen (und zu googeln), dass es hier im großen Belt wirklich starke Strömungen gibt. Zum einen hat die Tide der Nordsee einen Einfluss (wobei der Tidenhub aber vernachlässigbar ist) und zum anderen verursacht die herrschende Windrichtung nicht gerade geringe Strömungen im Wasser. Die drei Engstellen (kleiner Belt, großer Belt und Øresund), durch die das Wasser von der Nordsee kommend auf dem Weg in die Ostsee muss, sorgen für ganz eigene Strömungsverhältnisse. In Kombination mit dem Wind entstehen dann spannende und vorallem für uns unvorhersehbare Wellenarten.
Das merken wir auch, als wir am nächsten Tag bis kurz vor die Große-Beltbrücke gesegelt sind. Unser Plan war durch die markierten Brückenpfeiler zu kreuzen, da der Wind von vorn kommt. Doch wir treiben immer weiter ab und schaffen es einfach nicht Höhe zu laufen, da die Strömung uns immer weiter von der Brücke weg drückt. Anscheinend will sie uns nicht auf der anderen Seite haben. Wir haben keine Chance und müssen den Motor anschmeißen. Selbst mit dem wird es ungemütlich, da um die Brücke und vorallem unter ihr große Wellen stehen. Ist ja auch klar, wenn die Strömung von Norden gegen die Brücke trifft gibts im Süden ein heilloses Durcheinander. Das kennen wir ja bestens aus den Flüssen aber in Kombination mit südlichem Wind und dessen Wellen ist es noch etwas unübersichtlicher. Ich bin jedenfalls heil froh, als wir die Brücke hinter uns haben. Aber so richtig entspannt wird es danach auch nicht. Die nördlichen Strömungswellen bauen sich gegen die südlichen Windwellen auf und bringen uns ein ständiges Hin und Her, Auf und Ab. Genau das was man braucht nach einer sowieso schon rollenden schlaflosen Nacht. Da muss man sich garnicht umgewöhnen. Wie praktisch.
Wir kauen etwas Ingwer gegen das aufkeimende Seekrankheitsgefühl und nehmen unser Ziel Musholm fest in den Blick. Hochdosierter Ingwer hilft wirklich überraschend gut und vorallem innerhalb von Sekunden gegen Seekrankheit… Man muss nur mit der Schärfe zurecht kommen. Für lohnende Ziele nimmt man ja so einiges in Kauf und Musholm soll so ein Ziel sein. Eine winzig kleine Insel mit nur einem Haus (gehört zu der Fischfarm der Insel) und vielen Vögeln.
Drei Stunden später haben wir es auch geschafft und können sogar eine freie Anlegeboje ergattern. Die sind überall in Dänemark ausgelegt aber nur die wenigstens sind auch für ausländische Boote erlaubt. Glück gehabt. Das macht das Anlegen so viel einfacher. Wir müssen nur dicht genug ran fahren und eine unserer Leinen durch die kleine Öse am oberen Ende der Boje fädeln und auf unserer Klampe belegen. Der Anker bleibt trocken und alles geht viel schneller. Wir sind ganz allein an der Insel – abgesehen von den Arbeitern der Fischfarm in ihrer Mittagspause, die sich rund um die Insel befindet. Erstmal gibts Kaffee und Kekse als Belohnung. Hier an der Insel scheint die Sonne. Der Wind scheint harmlos und da wir im Wellenschatten liegen ist das Wasser ruhig. War was!?
Wir paddeln mit Kevin an Land und erkunden die Insel. Die haben wir ganz für uns allein. Abgesehen von den tausenden bis Millionen Schwalben, Möwen und Kormoranen… und vielem mehr. Die Insel ist, dank ihrer Größe, schnell umrundet aber trotzdem recht abwechslungsreich. Die Bilder sprechen für sich.
Als wir zurückkommen sieht die Bucht schon weniger einsam aus. Ist ja auch Freitag und die Insel eignet sich hervorragend als Wochenendsziel oder auch einfach nur für den Sonnenuntergang. Das führte leider dazu, dass dieser friedliche Ort abends einer Autobahn für kleine Motorboote glich. Ein ständiges Wuseln, Ankommen, Ablegen, Brummen und Düsen. In der Woche ist es hier bestimmt deutlich ruhiger. Aber bei dem Ort ist der Andrang auch nicht zu verdenken. Zum Sonnenuntergang machen wir es uns mit Decken und Portwein auf dem Vordeck gemütlich. So schön.