Der Tag der Abfahrt ist da: 4. Mai. Der Moment auf den wir über Monate hingearbeitet haben.
Krass… eigentlich, oder?
Für uns noch nicht, wir checken’s einfach noch gar nicht. Es ist in unseren Köpfen einfach Null angekommen. Viel zu stressig waren die letzten Monate, Wochen, Tage. Weiter, weiter, weiter… nur noch ein paar Tage die Zähne zusammenbeißen – das war unser Mantra.
Und jetzt ist auch mal gut! Wir wollen genießen, und nicht mit Stress im Kopf in dieses Abenteuer starten. Deswegen gibt’s nochmal gemütlich ein letztes gemeinsames Frühstück auf der „SY Pepita“, bevor wir voller Vorfreude, aber auch schweren Herzens, die Leinen loswerfen. Um diesen großen Moment besser begreifen zu können, haben wir uns extra in Schale geworfen – mal was anderes als unser sonstiger Shabby-Look beim Segeln 😀
Karina und Oli begleiten uns das erste Stück als Geleit aus der Förde heraus, und so entstehen nochmal richtig tolle Fotos bei bester Stimmung.
Wir dümpeln los, mehr gibt der Wind im Moment noch nicht her. Anfangs noch mit Wickie, unserem Schlauchboot, im Schlepp, für die schönen Fotos natürlich. Ziemlich bald umrundet uns die aufmüpfig freche Crew der Pepita doch etwas zu oft, und wir falten Wickie zusammen und verstauen sie an Deck.
Wir liegen zwar durch den verstauten Proviant und unser Gepäck ein gutes Stück tiefer im Wasser, aber nun da Wickie nicht hinter uns an ihrer Leine zerrt und zobbelt, überholen wir die Pepita in der ein oder anderen Böe, bevor sie uns wieder einholt.
Ach, herrlich! Ilvy läuft und läuft und läuft, richtig schnell für die 2 Bft da draußen. Klar, es gibt noch einiges an Fine-Tuning zu tun, die vielen Falten im Segel sprechen für sich. Doch das wird sich alles fügen auf den nächsten Meilen. Kurz vorm Leuchtturm Friedrichsort verabschieden sich Karina und Oli. Wir winken und verdrücken letzte Wehmutstränen. Es wird schön sein, in ein paar Monaten zurück zu kommen, zurück nach Kiel zu unseren Freunden.
Doch jetzt geht’s erstmal los. Unsere Blicke richten sich gen Horizont. Wir schauen uns an: Wahnsinn, es geht wirklich los.
Nagut, erst einmal schläft der Wind komplett ein. Wir holen das Segel ein, was dank der einzigartigen Reff-Eigenschaften des Dschunkensegels ein Kinderspiel ist. Erste Yachten kreuzen unseren Weg, winken und staunen. Sieht man wohl selten, so einen quietschgelben Lappen. Motor an und ab durch die Flaute. Kaum eine halbe Stunde später haben wir wieder Wind, aus Ost, um die 10kn. Perfekt! Wir runden Bülk und setzen Kurs Nordwest auf die Schlei!
Moment mal, ist das nicht die falsche Richtung? Schweden liegt doch auf Kurs Ost!? Jep, so sieht’s aus, wir haben uns für ein paar Tage Entspannung und Gemütlichkeit in gewohnten Gewässern entschieden. Die Schlei ist dafür perfekt. Außerdem wollen wir dort noch Freunde besuchen, und besucht werden. Und: mit gelben Segeln und einem gelben Schlauchboot unter gelber Sonne an gelben Rapsfeldern vorbeisegeln.
Kaum sind wir aus der Förde, mit raumen Wind im Segel, schon kommen wir aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus. Ilvy zieht einfach, echt schnell, davon. Die ein oder andere Yacht lassen wir hinter uns, das Segel steht glücklich im Wind, und dank der Eigenschaften der Dschunke merken wir die Böen und auch die Wellen viel weniger. Wahnsinn. Wenn einfach alles klappt, wovon man so lange geträumt und so lange drauf hingearbeitet hat.
Wir verstehen nach und nach immer besser, welche Trimmleinen bei welchem Kurs welchen Effekt haben. Diese Lernkurve wird bestimmt noch eine Weile so anhalten. Doch wir sind guter Dinge, schon jetzt machen wir enorm Fahrt. Um noch ein bisschen mehr herauszukitzeln, bringe ich erst einmal Trimmfäden am Vorliek an.
Vor uns am Horizont taucht ein fetter Dreimaster auf, er fährt auch Richtung Schlei. Über die Stunden kommen wir ihm näher. An der Einfahrt zur Schlei werden wir ihn hinter uns gelassen haben…
Währenddessen ergibt sich, dass Tonis Eltern zufällig in der Schlei für ein paar Nächte mit ihrem Camper stehen werden. Vorfreudig stehen sie in Damp an der Pier, und versuchen uns am Horizont auszumachen. Die Legende besagt, dass das folgende Foto der Beweis dafür sein soll, dass sie uns wirklich gesehen haben…
Wir passieren Schleimünde, segeln unter vollen Segeln hinein in die Schlei.
Reffen fix auf Vorwindkurs auf die Hälfte der Segelfläche: Fahrt rausnehmen, um einen Zweimaster passieren zu lassen. Kaum ist der vorbei, reffen wir in Sekunden wieder aus. Das war vielleicht etwas vorschnell, denn kaum stand der volle Lappen wieder in seiner ganzen Pracht, waren wir wieder schneller als das fette Schiff. Also wieder reffen. Kein Problem. Der Kapitän des Tradis kommt währenddessen kaum noch aus dem Staunen heraus.
Unter Segeln biegen wir ab in das Olpenitzer Noor. Der Anker fällt zum ersten Mal in dieser Reise.
Was für ein Tag! Wir stoßen an, mit edlem Weißwein „Kerner“ und leckerer weißer Kaffee-Schokolade von Felix und Henrike – und Räuber-Rommé. Der Himmel beschert uns noch einen fantastischen ersten Reise-Sonnenuntergang, bevor wir hundemüde aber überglücklich in die Koje fallen.
Ich freue mich schon, euch auf dem Tablet begleiten zu dürfen.