Die Nacht wird ruhig vor Anker, denn unsere kleine Ilvy liegt angekuschelt längsseits an der Use. Es wurde spät heute Abend, und wer könnte es uns verdenken. Die Gespräche sind spannend, und die abendliche Athmosphäre hier oben im Norden im Sommer ist einfach faszinierend. Aufkommende Müdigkeit? Fehlanzeige!
Am nächsten Morgen tauchen wir „ein bisschen“ verschlafen im Cockpit auf. Thomas und Anne schauen uns etwas verdutzt an. Verständlich, nachdem wir auf ihre Frage, wohin wir denn heute hinsegeln, nur achselzuckend meinten: erstmal fahren wir los, dann sehen wir weiter. Doch aufgemerkt: das Schöne in den Schären ist ja, dass, vorausgesetzt das Wetter spielt nicht gerade Weltuntergang, man hier an jeder zweiten Ecke anlegen, ankern oder festmachen kann. Treiben lassen, und sehen was der Tag so bringt, bedeutet hier keine Vernachlässigung der seemännischen Sorgfaltspflicht, sondern sorgt für die schönsten Entdeckungen.
So auch heute. Lautlos und ohne Luftverschmutzung lösen wir die Leinen und treiben langsam achteraus der Use. Kaum geht unser Bug hinter ihrem Heck durch, ziehen wir am Großfall und setzen alles was geht. Passend zu unseren heute morgen langsamen Gedanken läuft Ilvy gemächlich los. Wir winken, Anne und Thomas winken, und wir wissen: man sieht sich bestimmt wieder!
Aber jetzt erstmal rum um die nächste Landzunge, und ein bisschen kreuzen gegen den leichten Wind. Wo war nochmal das nächste schmalste Fahrwasser? Ach ja, hier entlang! Bei 3-4 Bft winden wir uns durch diese traumhafte Mischung aus Fels, Fichte und Vogel. Spannend ist der Wind hier zwischen den bewaldeten Inseln: Er wechselt beinahe im Minutentakt von Flaute durch Landabdeckung hinter der nächsten Insel, zu Vollgas durch die Düsenwirkung zwischen den Inseln. Ich liebs ja! In den Böjen legt sich Ilvy auf ihre wohlgeformte Seite, Gischt spritzt auf, und man spürt die Kraft im Segel, mit der sie wie ein großer Schneepflug durch das leicht kräuselige, dennoch glatte, grüne Wasser pflügt. Dann wieder Flaute, in der Ilvy trotz laschem Segel einfach weiterfährt – zum Teil noch mit dem Restschwung der vorangegangenen Böje, zum Teil aber auch, weil das Dschunkensegel auf beinahe magisch anmutende Weise den letzten Rest Wind auch noch einfängt und uns vorwärts schiebt. Es ist einfach nur schön.
Und nun, wohin denn heute? Langö? Ragö? Stora Sackholmen? Oder noch weiter? Nö, eher nicht. Erste Regenwolken kündigen sich an, und wir segeln nach dem faszinierend engen Fjord auf eine hübsche kleine, nach allen wichtigen Seiten geschützte Bucht zu. Soll es das wirklich schon gewesen sein, nach nur knapp zwei Stunden auf dem Wasser? Warum eigentlich nicht! Morgen soll es regnen, dann bleiben wir hier einfach und genießen allerfeinste Gemütlichkeit im prasselnden Regen.
Der Regen kommt tatsächlich ziemlich schnell. Heute passiert hier nicht mehr viel, außer meiner Lieblingsbeschäftigung: Im strömenden Regen draußen im Cockpit unter dem schützenden Sonnensegel sitzen, eingekuschelt in eine warme, gemütliche Decke, den aufs Deck prasselnden Regentropfen zuhören und die sich bildenden Blasen auf der Wasseroberfläche bewundern. Dazu eine dampfende Tasse Kaffee in der Hand. Melancholie in seiner schönsten Form!
Wir beschließen, hier noch einen weiteren Tag zu bleiben. Es regnet immer mal wieder, dazwischen kommt die Sonne raus. Schreiben, kochen, essen, Stricken, läuft! Und ein Adler schaut auch noch vorbei. Schon zum zweiten Mal auf dieser Reise sehen wir einen Adler… es sollte nicht der letzte sein.
Kaum die Kamera mit dem krassen Tele in der Hand, ergibt sich gleich die ein oder andere Gelegenheit neben dem Adler.
Nach zwei Nächten in dieser überraschend schönen Bucht, zieht es uns weiter. Heute mal nach Sackholmen? Lieber nicht. Kaum Anker auf gegangen, ziehen Regenwolken heran und wir müssen uns eingestehen: Wir sind zu Schönwetter-Seglern verkommen. Also gehen wir nach nur 45 Minuten Segeln an die nächste SXK-Boje in einer kleinen verträumten Bucht vor Langö. Was soll’s! Es ist auch hier einfach traumhaft schön im Regen, so eingeschmiegt zwischen den Ufern zwischen den hohen Bäumen.
Kaum an der Boje festgemacht, fängt es auch sofort schon wieder zu regnen an. Uns soll’s recht sein, und vor allem ich genieße den Regen sowieso. Der nächste Segeltörn geht nach England!
An Bord beginnt nun das kreative Treiben: Es wird gestrickt und geschrieben, gekocht, gebacken, gezockt, gelesen. Und natürlich ganz viel aufs Wasser gestarrt.
Am nächsten Morgen soll es nun wirklich mal ein bisschen weiter gehen. Doch bevor es soweit ist, muss Wickie erstmal vor einem baldigen Ertrinken gerettet werden.
Wir legen unter Segeln ab, und hier ensteht nun dieses Video aus meinem WhatsApp-Status, was uns beim Ablegen, Segel setzen und davon düsen zeigt. Daumen drücken, dass wir diesmal länger als ein paar Minuten segeln 😀
Endlich habt Ihr die entsprechende Lässigkeit die man als Fahrtensegler braucht! Glückwunsch!
Genießt es!
Aus Gorch Focks Seefahrt ist Not: Als sie aus der Elbe heraus sind ist der Knecht erstaunt: „Is jo ook blots woter“ .
Danke! Ja, es braucht ein bisschen um da reinzukommen…