Zusätzlich zu unserem Artikel in der SEGELN habe ich ein paar Fragen beantwortet, die Lesende des Artikels noch interessieren könnten.
Fragen: Thorsten Weiland, Chefredakteur SEGELN
Antworten: Paul Schnabel

Die Maxi ist nun ein recht kleines Boot. Wie würde man das auf einem Boot von 11 oder 12 Meter Länge machen: Wäre der Mast nicht unfassbar dick? Und hätte er die gleiche Höhe wie der alte Mast?
Auf Yachten über 10-11 m setzt man oft auf eine Zwei-Mast-Lösung, um eben weiterhin ohne Winschen und mit nur moderaten Schotkräften auszukommen. Es spricht aber technisch nichts gegen eine Ein-Mast-Lösung, dann unter Einsatz von Winschen. Wer es ganz komfortabel haben möchte, kann zum Beispiel für das Fall eine E-Winsch einsetzen. Und nein, der Mast wäre nicht unfassbar dick, denn die Mastdicke skaliert nicht mit der Schiffslänge. Über den Daumen gepeilt kann man den Bermudamast nehmen und eine Handbreit draufaddieren (eine kleine Hand). Die Höhe des Mastes ist Geschmackssache: Man kann so hoch wie beim Bermudamast gehen, oder noch höher, wenn man noch das letzte Quäntchen mehr am Wind herauskitzeln möchte. Denn eine hohe Streckung des Segels verbessert die Amwindeigenschaften, macht den Mast aber auch teurer. Man kann aber auch ein Design mit etwas kürzerem Mast wählen, für immernoch ausreichend gute Amwindeigenschaften aber dafür Vorteilen im Handling, Preis, etc. Hier verhällt es sich ähnlich wie beim Bermudarigg: Will ich möglichst schnell sein, dann hoher Mast mit Flattop, 7/8-Takelung und Laminatsegeln. Will ich auf Langfahrt, dann kürzerer Mast, topgetakelt und robustes Dacron. Ähnliche Entscheidungen sind auch bei der Auslegung eines Dschunkenriggs zu treffen.
Gibt es eine maximale Bootsgröße, bei der man das vorgestelle Rigg einsetzen kann?
So etwas wie eine maximale Bootsgröße für das Dschunkenrigg gibt es nicht, man kann die Riggtechnik hochskalieren. 40, 50, 60, oder 100 Fuß – am Ende bleibt das technische Prinzip das Gleiche. Überspitzt gesagt: Auch eine „Malthese Falcon“ (87 m) könnte man mit Dschunkenrigg segeln – unverstagte Masten hat sie ja jetzt schon!
Gibt es Rumpfformen, die besonders geeignet oder ungeeignet für ein Dschunkenrigg sind?
Nein, die Rumpfform ist für den Einsatz eines Dschunkenriggs nicht ausschlaggebend, egal ob schnittige Kreuzer, moderne Cruiser oder behäbige Langfahrtschiffe. Selbst Katamarane mit Dschunkenrigg sind erfolgreich tausende Meilen über die Ozeane gekreuzt – mit sehr zufriedener Crew!
Wo fährt man nun eigentlich Radarreflektor, vielleicht auch eine Radaranlage und anderes Gerät, das üblicherweise am Mast befestigt ist?
Den Radarreflektor fährt man im oder knapp unter dem Masttopp, ebenso wie Windanzeiger etc. Eine Radaranlage würde zum Beispiel wunderbar auf einem kurzen Radarmast am Heck werkeln können.
Wie teuer wäre ungefähr ein fachgerechter Umbau eines 11-Meter-Segelschiffs?
Auf diese Frage kann ich pauschal keine Zahl nennen, da sie von zu vielen Faktoren des jeweiligen Schiffes und Wünschen des Eigners/ der Eignerin abhängt. Als Faustregel jedoch kann man rechnen, dass ein neuer Segelsatz eines Bermudariggs (Großsegel, Genua, Fock, Sturmfock, Gennaker, Spinnaker) teurer kommt als die Umrüstung auf Dschunkenrigg.
Gibt es Kielformen, für die das Rigg nicht geeignet ist (Flachkieler, Kimmkieler, Plattboden, Langkieler …)?
Das funktioniert auf jedem dieser Kielformen. Es muss bei der Auslegung des Riggs entsprechend beachtet werden, ist aber keine Hürde. Natürlich läuft ein Schiff mit Flossenkiel und Dschunkenrigg mehr Höhe als ein Schiff mit Langkiel und Dschunkenrigg – doch das liegt am Rumpf, nicht am Rigg.
Beim Umbau auf der Maxi 77 steht der Mast nun in der Liegefläche der vorderen Koje. Gibt es Möglichkeiten, das zu vermeiden, denn das erscheint ja doch eher ungemütlich … Wie weit muss der Mast im Verhältnis zur Bootsgröße nach vorn?
Ja, die gibt es. Zum Beispiel kann im Riggdesign mit der Balancierung des Segels gespielt werden, sodass der Mast – bei gleicher Position des Segels – nach vorne oder achtern wandert. Das funktioniert in gewissen Grenzen sehr gut. Auch die Überlegung Einmaster vs. Zweimaster kommt hier ins Spiel: So steht bei einer Zwei-Mast-Lösung der vordere Mast sehr weit vorne im Bug, nicht im Bereich der V-Koje. Pauschallösungen gibt es dafür nicht, das schaut man sich im Yachtdesign genau an und bringt die verschiedenen Wünsche von Eigner/Eignerin mit den technischen Maßgaben unter einen Hut.

Ungewöhnlich, doch nicht ungemütlich.
Wie groß ist der Eingriff in die Schiffskonstruktion? Erlaubt jede Konstruktion so eine Veränderung? Wo genau wirken die Kräfte des Masts – und müsste man manche Boote erheblich im Bodenbereich umbauen oder im Deckbereich verstärken?
Man ist oft überrascht, wie gering die Verstärkungen in Rumpf und Deck ausfallen – falls sie überhaupt vorhanden sind! Da das Dschunkenrigg durch die fehlende Verspannung von Wanten und Stagen so dermaßen deutlich weniger Belastung auf den Schiffskörper aufbringt, beschränkt sich der Eingriff in die Schiffskonstruktion in den meisten Fällen auf lokale Bereiche: So wird das Fundament für den Mast auf der Rumpfsohle den dreifachen Mastdurchmesser selten überschreiten, und für den Durchlass im Deck genügt in den allermeisten Fällen eine Verstärkung von unter einem Mastdurchmesser.
Kannst Du sagen, welche Höhe zum Wind diese Besegelung laufen kann?
Auch das hängt vom Rumpf ab, und der Art des Dschunkenriggs. Unsere behäbige Maxi 77 von 1978 läuft zum Beispiel 45° am Wind, sie segelt mit einem auf Langfahrt zugeschnittenen Rigg mit Profil in den Paneelen. Ein veraltetes, flach geschnittenes Dschunkendesign würde sicherlich 10-15° schlechter segeln. Mit einer der Hightech-Varianten des Dschunkenriggs, dem Split Rig, wären sicherlich nochmal 5° mehr Höhe drin.
Für welche Windstärken ist das Rigg geeignet?
Für alle! Ich würde mich viel eher mit einem Dschunkenrigg in einen Sturm begeben, als mit einem Bermudarigg. Bedienung aus dem Cockpit, leichtes Reffen, Fail-Safe, weniger Belastung des Segeltuchs, etc. – all das kann im Sturm über Leben und Tod entscheiden. Es gibt dutzende Schwerwetter-Berichte von Yachten mit Dschunkenrigg, in denen die hilfreichen Eigenschaften des Riggs bei Sturm klar werden. Vernünftig ausgelegt hält ein Dschunkenrigg einem Sturm problemlos stand. Doch auch bei Leichtwind würde ich nicht tauschen wollen: da das Segel nicht einfallen kann, schiebt einen selbst der leiseste Hauch noch vorwärts.
Wie wirkt sich die Mastposition auf Ruderdruck und Luv-/Lee-Gierigkeit aus?
Die Mastposition an sich hat darauf keinen Einfluss, wohl aber die Balancierung des Segels – also wie weit das Segel vorne am Mast vorbei ragt. Umso höher die Balancierung, umso geringer der Ruderdruck auf Raum- und Vorwindkursen, wobei es auch hier physikalische Grenzen gibt. Ein Dschunkenrigg mit mäßiger bis hoher Balancierung wird vor dem Wind immer sehr wenig Ruderdruck erzeugen. Die Luv-/Leegierigkeit muss schon in der Auslegung des Riggs ordentlich berechnet werden. Im Yachtdesign kann man sich seine Wunsch-Luv-/Leegierigkeit quasi aussuchen, indem man die Segelform und -Position anpasst. Auf dem Wasser kann man das dann noch durch die Trimmleinen finetunen, was in vielen Fällen jedoch nicht notwendig ist.
Du hattest mir mündlich gesagt, dass ab einer bestimmten Bootsgröße eher zwei Masten infrage kommen. Bringt das nicht wieder sehr viel Komplexität mit sich? Beim Segeln/Leinenführung, aber auch bei den konstruktiven Veränderungen am Schiff? Steht der hintere Mast dann im Motorraum …?
Ab einer bestimmten Bootsgröße werden oft zwei (oder irgendwann auch drei) Masten gewählt – möglich bleibt dennoch die Einmast-Lösung. Sicherlich steigt die Komplexität bei zwei Masten etwas – es ist ja schließlich alles doppelt. Da die Segelführung und das Handling eines Dschunkenriggs aber ohnehin so simpel sind und man sich kaum um die Segelbedienung kümmern muss, steigt der Arbeitsaufwand beim Segeln bzw. das Leinenhandling nur minimal. So stehen zum Beispiel dem Setzen von zwei leichteren Segeln beim Zweimaster das Setzen eines schwereren Segels beim Einmaster gegenüber. Die konstruktiven Veränderungen am Schiff sind ja eher von der minimalinvasiven Sorte, und fallen damit weniger ins Gewicht. Am Ende läuft es auf die Frage hinaus, was einem wichtiger ist. Ich persönlich würde bei steigender Bootsgröße möglichst lange bei der Einmast-Lösung bleiben, da ein Zweimaster immer etwas weniger performant ist als ein Einmaster. Doch das ist meine persönliche Vorliebe, und auch ich würde mir bei einem größeren Schiff ganz genau überlegen, wo meine Prioritäten liegen: Schnelligkeit, oder entspanntes Reisen. Zum Thema Motorraum: Ein spannender Aspekt des Dschunkenriggs ist, dass die Masten nicht mittschiffs stehen müssen. Falls zum Beispiel der Motorraum im Weg wäre, kann der Mast außermittig z.B. steuerbords des Motors platziert werden – die fehlende Verstagung machts möglich!



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