Da waren wir also im Rhein-Rhône-Kanal angekommen. Es war so verrückt, noch vor 3 Tagen lagen wir in Les Roches-de-Condrieu in unserem temporären Heimathafen und konnten uns eine Welt außerhalb unseres Hafen-Mikrokosmos kaum vorstellen – ganz zu schweigen von nur drei Tagen Fahrzeit für die französischen Flüsse 😀
Kaum im Kanal, schon fehlte die Brise der weitläufigen Breite der Saône – es wurde brütend heiß. In der ersten Schleuse empfing ein Schleusenwärter alle Neuankömmlinge und wies uns ein. Ich bekam eine Fernsteuerung für die nächsten Schleusen, und wurde ganz ordentlich um die Verhältnisse hier informiert. Auf meine Frage nach etwaigen Algenteppichen und Wasserverschmutzungen in diesem Kanal und einem Vergleich unserer bisheriger Kanäle, lachte der Meister nur und meinte sinngemäß, unsere bisherigen beiden Kanäle seien Dreckslöcher gegen seinen tollen Kanal. Das machte Hoffnung! In der Zwischenzeit hielt Toni Scarlett im Zaum, und zerfloß in der Mittagshitze. Unsere erste offizielle Aktion im Kanal war deswegen:
SOMMERMODUS ON!
Der Kanal war wunderschön grün, richtig idyllisch. Mit jeder Biegung wurde es dschungelmäßiger, die Vögel zwitscherten, die Wassertiefe pendelte zwischen 1,6 m und 2,0 m (also kein Problem für uns), und wir begannen das schöne entspannte Kanalleben zu genießen. Zwar war die Ehrfurcht vor den Passagen, wo der Fluss Doubs den Kanal ersetzte, groß, doch erstmal waren wir auf reinen Kanalstücken unterwegs.
Nachdem wir diesen etwas gruseligen Chemiepark passiert hatten, wurde es durchgängig schön. Doch in dem Kanalstück hier war jegliches anlegen und anhalten verboten – wegen drohender Chemieunfälle…
Für die Nacht fanden wir einen hübschen und halb im Schilf versteckten freien Anlegeplatz (Choisey) – gerade rechtzeitig vor dem aufziehenden Sommerregen. Wie gut es tat, abzukühlen. Die Luft roch herrlich nach Sommergewitter, und das Geräusch der Regentropfen auf unserer Kajüte erinnerte an gemütlichen Zelturlaub.
Am nächsten Morgen wollten wir eigentlich fix was einkaufen und Diesel besorgen. Eins führte zum anderen, den Wecker etwas später gestellt, die Augen nicht aufbekommen, gefrühstückt, Maschine gewartet, eingekauft (Essen und Diesel), das schöne Dörfchen genossen und dann nochmal was gegen den Hunger installiert. Zack, da war die Abfahrt doch nicht vor 13 Uhr!
Weiter ging es, weiter, immer weiter. Wir hatten beide richtig Bock Strecke zu machen. Dass es nun etwas später mit der Abfahrt wurde, sorgte nur für noch mehr Motivation 🙂
Und dann war es soweit. Der gefürchtete Moment war da: wir fuhren in den Doubs ein. Die letzte Schleuse öffnete sich, und plötzlich waren wir wieder in einem Fluss. Fast so breit wie die Saône, doch äußerst tückisch. Der kleine Doubs wollte in der Liga der schiffbaren Großen mitspielen, doch fehlte ihm die Puste und deswegen war nur in einer engen Fahrrinne ein ausreichender Tiefgang garantiert. Aber war diese betonnt? Nein! Stattdessen stand in dem Kanalführer (den wir von den liebenswürdigen Australiern geschenkt bekommen haben – Danke nochmals!!!), dass man genau einen Abstand von 15m zum linken Ufer einzuhalten hätte… Klar kein Thema, Entfernungen sind ja mega leicht abzuschätzen, vorallem auf dem Wasser… Idioten, alle zusammen! Wer baut denn unbetonnte Fahrrinnen in einen strömenden Fluss wo die Fahrrinne teilweise eh nur auf ein paar Zentimeter unter unserem Kiel ausgebaggert ist!? Und wer bitte schreibt Kanalführer mit solchen Angaben? Am besten wir tauschen Fernglas und Kompass gegen einen Laser-Entfernungsmesser.
Nagut, es stellte sich heraus dass es doch nicht ganz so schlimm war. Jedenfalls schwankten wir mit plus minus fünf Metern (hoffe ich) hin und her, und liefen nur beinahe mal auf. Ja, es gab diese Momente wo einem das Herz in die Hose rutschte beim Blick aufs Echolot: 1,7 m… 1,6 m… 1,5 m… 1,4 m (eigentlich unser Tiefgang)… 1,3 m… 1,1m… (okay, das können nur Algen sein, wir fahren ja noch und man hört keine Kratzgeräusche) 0,9 m… 0,7 m… 0,9 m… 1,5 m… 2,6 m… 3,5 m… 3,6 m (glaube wir haben’s). Dass das Wasser teilweise so klar war, dass man den Grund deutlich sehen konnte, half nicht wirklich die Anspannung zu vertreiben.
Nach einiger Zeit haben wir uns aber dran gewöhnt, der Abstand zum Ufer hält sich fast von alleine und nur unser nervöses Lächeln erinnert noch vage an unsere Horrorvorstellungen vor dem Doubs.
Wir passierten alte Mühlenhäuser, idyllische Schleusen und mystische Alleen, in denen die tief hängenden Äste der Platanen zum Greifen nah waren.
An manchen Engstellen und uneinsehbaren Passagen bedeuteten uns Schifffahrtszeichen, dass wir in unsere Messingtröte pusten sollten. Das haben wir auch immer artig gemacht, und mindestens einer von uns hatte dabei sehr viel Spaß 🙂 Hinter einer dieser Engstellen, ausgerechnet hinter einer engen Kurve, hatte jedoch ein Angler drei Ruten quer über den Kanal geworfen, und offensichtlich unseren Warnton nicht gehört. Als wir näher kamen, und die Leinen vor uns sahen, schrieen wir ihm zu und versuchten Scarlett aufzustoppen. Der gute Mann erschrak sichtlich, rannte zu seinen Angeln und kurbelte was das Zeug hielt. Doch er war zu langsam. Zum Glück bekam Toni am Bug eine der Leinen zu fassen und führte sie über Scarlett hinweg. Eine Leine hatter der Kerl rechtzeitig einholen können, und die dritte lief glücklicherweise unter unserem Langkiel durch ohne sich zu verhaken. Mir hinterm Steuerrad stand der Schweiß auf der Stirn! Wir waren zu dem Zeitpunkt beide noch recht angespannt von der unbetonnten Fahrwassersituation im Doubs, und hatten deswegen alles andere als empathische Gefühle für diesen Heini. Es schien ihm zwar aufrichtig Leid zu tun, aber es ist einfach nicht nur dämlich sondern auch gefährlich an dieser uneinsehbaren Stelle zu angeln…
Die Landschaft änderte sich langsam, steile Klippen und Felsvorsprünge zogen an uns vorbei.
In der Zwischenzeit produzierten unsere Solarzellen jeden Tag ordentlich Strom und luden unsere Batteriebänke voll bis obenhin. Genug Leistung hatten wir durch unsere Lichtmaschine ja eh am Start. Doch war diese nur mit einem üblichen Lima-Regler versehen, welcher es nie schaffte die Batterien auf 100% zu laden. Hier kickte unser neuer heißer MPPT-Solarregler ein, der mit unseren installierten 300W Photovoltaikzellen das letzte rauskitzelte. Für ein paar Euro mehr hatte ich mich für einen mit Bluetooth-Dongle entschieden. Damals zweifelte ich noch, ob diese Spielerei das Geld wert sei. Doch inzwischen liebe ich es, mindestens siebenundzwanzigmal täglich schaue ich aufs Handy um den aktuellen Ladefortschritt zu begutachten 🙂
Es gab weitere Premieren, was wir mit Scarlett anstellten. Ich hätte mir nie vorstellen können, einmal mit einer Segelyacht so verdammt nah an einem Wehr vorbei zu fahren – im Oberwasser!! Und es blieb nicht nur bei einem Wehr. Die Wehrkante war teilweise keine 10m entfernt. 10m! So nah würde ich mich nicht mal mit einem Kajak heran trauen… Doch wir hatten keine Wahl, es gab keinen Ausweg von der Kanalführung. Irgendwie kommt man schon mit der Querströmung klar 😀
Wie immer – bisher – haben wir auch das geschafft, und waren um einen weiteren beeindruckenden Meilenstein in unseren Seglerleben weiter. Schon krass was wir so erleben, gefühlt kommt jeden Tag etwas Neues dazu, was wir uns vorher nicht hätten vorstellen können. Das ist ein ziemlicher Kontrast zu den dreieinhalb Monaten Hafenlebens, und tut zur Abwechslung mal richtig gut!
Als kleine Belohnung für den aufregenden Tag gestattete das #Paulglück uns, an einem der schönsten wild-romantischen Liegeplätze unserer Reise zu übernachten – bis jetzt 😉