Da man bei Pauls Zeitabschätzungen von Aktionen mindestens 1-1,5 h draufrechnen muss um die wirkliche Dauer zu erhalten, kamen wir nach dem Mastlegen am Morgen nicht mehr allzu weit. Wir fuhren auf der Weser bis zur Einfahrt in die Hunte. Hier fuhren wir am Stadthafen von Elsfleth vorbei, um an einem privaten Steg ein Stück weiter festzumachen. Hier waren Studenten gerade beim Kutterpullen. Der Steg gehört einer sehr lieben Dame, die uns gleich willkommen hieß und uns alles zeigte. Sie wies uns freundlich daraufhin, dass es im Januar auch in Griechenland und Co. kalt wird, aber sie uns keineswegs jetzt die Tour vermasseln will mit dieser Information. Trotzdem lieh sie uns ein Buch das Freunde von ihr geschrieben haben, die ihren Job gekündigten und sich auf die Barfußroute machten… sehr inspirierende und verlockende Bilder. Obwohl die Hunte wirklich klein und schnuckelig war, gab es trotzdem Tidenhub und das Wasser verschwand erschreckend drastig neben uns am Steg. Aber wir hatten Glück und saßen nicht auf.
Am nächsten Tag wollten wir eigentlich ein gutes Stück auf dem Küstenkanal hinter uns bringen, aber unsere Gastgeberin riet uns Oldenburg auf jeden Fall nicht auszulassen und außerdem sei der Küstenkanal super langweilig und Oldenburg am Anfang des Kanals „das“ Highlight dieser Wasserstraße. Naja, gesagt getan. Wir fuhren nur das Stück bis Oldenburg und machten dort am frühen Nachmittag im Stadthafen fest. Wir bummelten etwas durch die Gassen, die wirklich schön waren und schon sehr an Holland oder Belgien erinnern. Hier gab es sogar kleine Frituur (-en?) (quasi Frittierläden die Pommes und anderen geilen frittierten Scheiß verkaufen), die ich aus meinem Auslandssemester aus Belgien kenne. Aus reiner Nostalgie gönnten wir uns Pommes mit meiner Lieblings-Joppie-Sauce. Danach suchten wir ein kleines Café, dass uns mit Internet und lokalem Bier versorgte und viel Persönlichkeit ausstrahlte. Paul arbeitete am PC und ich recherchierte und schrieb Blog…Wifi olé!
Am Tag darauf ging es dann endlich in den Küstenkanal. Nur eine Schleuse direkt hinter Oldenburg trennte uns von tidenfreien Kanälen und gefühlt immer gleichen Wasserpegeln. Hinter der Schleuse lagen dann 70 km Küstenkanal vor uns. Die Sonne schien, das Wasser war spiegelglatt und die Bäume sahen wunderbar herbstlich aus. Ich war sofort Fan!
Paul beschimpfte mich später als „Motorbootfahrerin“, weil ich es wirklich genoss keine Schräglage zu haben, einfach Dinge zu erledigen während er steuerte und nicht alles festzurren zu müssen. So richtiges Hausbootleben. Das hat schon seine Reize. Vielleicht wirkt der Kanal auf einige langweilig aber wir genossen die Ruhe und unser Kanalerlebnis. Ziemlich schmal, immer der gleiche Tiefgang auf der Loge und links und rechts ab und zu Häuser, Schafe, Radfahrer oder Hunde. Uns begegnete auch kaum ein Schiff, weder Sportboot noch Berufsschifffahrt. Nur der Kanal, ein paar Enten und Wir.
Die erste Aufregung kam dann mit einem Gewitter, das ziemlich gruselig war. Wir steuerten den kurzen Moment von innen und fuhren möglichst dicht an die Bäume der Böschung. Die Sichtweite schrumpfte auf gefühlt zwei Armlängen. Aber es ging alles gut und danach kam sogar die Sonne wieder raus. Das sollte aber nicht die letzte Aufregung für uns in dem angeblich so langweiligen Küstenkanal bleiben.
Wir planten vor der nächsten Schleuse (5 Kilometer vor dem Dortmund-Ems-Kanal) in einen Sportboothafen zu fahren und da die Nacht zu verbringen. Joah soweit der Plan, wenn wir nicht in der Einfahrt des Hafens auf Grund gelaufen wären…
Wir steckten im Schlick und unsere Loge zeigte 1,1 m bei unserem Tiefgang von 1,35 m an. Zum Glück kamen wir langsam und rückwärts wieder raus aber der Schreck saß in uns. Zumal wir irgendwo im Nirgendwo waren. Diese Erfahrung zeigte uns deutlich, dass wir mit unserer Segelyacht und ihrem eigentlich flachen aber im Vergleich zu einem Motorboot tiefen Kiel hier eindeutig deplatziert sind. Hier in den Kanälen ist das Segeln verboten und daher machen Segelboot hier gar keinen Sinn. Somit sind alle Häfen auf Motorboote mit 50 cm Tiefgang (Achtung eventuelle Übertreibung!) ausgelegt. Naja nun gut daran müssen wir uns wohl gewöhnen und in Zukunft die Tiefen der Hafeneinfahrten besser checken.
Wir fuhren in den anderen Seitenarm auf der gegenüberliegenden Seite des Kanals. Hier waren nur Industrie und Belade- und Entladestellen für die Berufsschiffe zu finden. Wo sollten wir denn jetzt hin? Es wurde langsam dunkel und dann sieht man auf den Kanälen garnichts mehr.
Wir fuhren den Industriehafen bis zum Ende und fanden dort einen Firmennamen. Paul rief da an und frug, ob wir da für eine Nacht liegen könnten. „Joah geht klar“ sagte der Besitzer der Anlage, aber wir sollen uns weit weg vom Kran platzieren. Naja weit weg war relativ bei so einem kleinen U-förmigen Hafen, aber wir machten uns so weit vorn an der Böschung vor der Spundwand fest, wo wahrscheinlich kein großes Schiff mehr ranfährt. Wieder mal hat das Paul-Glück zugeschlagen und meine hektischen Zweifel nach dem Auflaufen waren unbegründet. Wir konnten dort sogar kostenlos liegen. Ihm schlotterten jedoch auch etwas die Knie als nachts im Dunkeln noch ein Schiff einfuhr und im Hafen drehte, um sich dann an die andere Seite des Hafens zu legen. Aber wie gesagt der Hafen war nicht groß und die großen Scheinwerfer können schon Angst verbreiten. Was ist wenn der uns nicht sieht und uns an der Spundwand zerquetscht?!?!
Wir machten alle Lichter an, die wir hatten, um gesehen zu werden. Ankerlicht gab es schließlich nicht mehr, seitdem wir den Mast gelegt hatten. Aber es ging alles gut und am nächsten Morgen machten wir uns aus dem Staub zur Schleuse in Dörpen, um den Küstenkanal hinter uns zu lassen.
16.-19.10.2019