Bei bestem Wetter und strahlendem Sonnenschein machen wir uns auf den Weg zur Insel Samsø. Wir nehmen den Anker in Korshavn auf und lassen ihn aus Übungszwecken ein paar Meter weiter wieder fallen. Da wir genervt von unseren missglückten Ankermanövern und unserer erschwerten Kommunikation quer über das Boot sind, haben wir uns nochmal genau mit dem Ankermanöver beschäftigt, Signalwörter festgelegt und den Ablauf detailliert besprochen. Der Trainingsdurchlauf an diesem Morgen läuft ausgezeichnet und so hoffen wir, das Ankern in Zukunft entspannter durchzuführen. Wir motoren aus der Bucht von Korshavn und kreuzen ein wenig vor der Bucht um dann geradewegs auf die Insel zuzuhalten von der wir schon so viel gehört haben. Der Segeltag ist recht unspektakulär aber schön. Die Sonne scheint, wir sehen in der Ferne manchmal Schweinswale und wir trudeln so gemütlich dahin. Wir spielten sogar Schach zwischendurch.
Kurz vor Samsø gibt es einige unbewohnte Mini-Insel und Untiefen, um die wir aufmerksam herum manövrieren müssen. Als der Wind dann so ziemlich einschläft müssen wir den Motor anschmeißen, damit wir durch diese Stellen ohne Bodenkontakt kommen.
Da man um Samsø eigentlich nur an der Ostküste richtig ankern kann, haben wir diese auch angesteuert. In der Mitte der Insel ist die Küstenlinie etwas zerklüffteter und so entsteht bei Langør ein natürliche Schutzbucht, die sehr beliebt bei Ankerliegern ist. Das können wir bestätigen, da sie ziemlich voll ist. Obwohl die Bucht so groß ist, eignen sich nur wenige Stellen am Rand zum Ankern, da die Tiefe in der Mitte mit 7 Metern zu tief ist zum Ankern – jedenfalls für uns. Wir ankern am Liebsten bei 2 – 4 Metern. Wir motoren etwas in der Bucht herum und finden am flachen Rand einen Spot, den die anderen nicht erreichen mit ihren tiefen Kurzkielen. Also Anker raus und alles anwenden, was wir morgens noch geübt haben. Aber der Anker hält nicht. Wäre ja auch zu schön gewesen, ein Erfolgserlebnis nach dem Training heute morgen. Wir versuchen es noch zweimal unter Beobachtung all der anderen Ankerlieger, die sich auf ihren Booten in der Sonne aalen. Schön unangenehm. Jedes Mal ist der Anker voller Gras und das Wasser so trüb, dass ich diese Grasfelder nicht ausmachen kann wenn ich den Anker fallen lasse. Außerdem pendeln wir bei der Ankerplatzsuche ständig zwischen viel zu tief und viel zu flach. Es ist auch einfach schon viel zu voll hier. Begleitet von maximaler Genervtheit ziehen wir ab und motoren wieder aus der Bucht. Zum Glück kann man auch noch an der glatten Küste ankern. Dort liegt auch schon ein Boot und so beschliessen wir es dort zu versuchen – und siehe da es klappt auf Anhieb und genau so wie es soll. Das Wasser ist viel klarer und so suchte ich vorn am Bug stehend eine sandige Stelle aus, um den Anker fallen zu lassen. Paul ruckt ihn mit dem Motor kräftig ein und wir sind endlich fest. Jetzt haben wir endlich mal die Nerven uns richtig umzugucken. Das Wasser ist ziemlich klar und sauber und wir liegen dicht an einem breiten hellsandigen Strand. So schön. Leider ist es jetzt schon 18 Uhr und wir zu erledigt vom Tag um Kevin startklar zu machen und auf die Insel rüberzusetzen. Das heben wir uns für morgen auf. Zu uns gesellen sich noch weitere Segelboote. Witzigerweise ein Norweger, ein Däne und ein Schwede. Denn seit kurzem sind die Grenzen Dänemarks auch wieder für Schweden geöffnet. Sehr gut für uns, da wir die ganze Zeit schon damit liebäugeln vielleicht noch nach Schweden rüberzusetzen. Aber jetzt gilt es erstmal Samsø zu erkunden. Also übermorgen. Dann am nächsten Tag regnet es erstmal nur. Richtiges Schmuddelwetter und so muckeln wir uns ein und genießen unser Bootsleben von innen. Mittags kommen die beiden Dänen mit ihrem Stand-up-Boards und einem winzig kleinen Welpen an uns vorbeigepaddelt. Gassigehen ist angesagt. Auf dem Rückweg kommen sie direkt bei uns ans Boot und wir plaudern eine Runde. Beziehungsweise Paul plaudert. Ich bin vollkommen abgelenkt durch das kleine Fellknäuel, dass dort todesmutig und maximal neugierig schnuppernd auf dem Board steht. Die „Dänen“ sind ein Pärchen in unserem Alter und laden uns abends auf ein Bier bei sich ein. Da der Tag eher ereignislos ist, nehmen wir das Angebot gern an. Innerlich freue ich mich am meisten auf den kleinen Welpen – aber pssst.
Am späten Nachmittag mobilisieren wir Kevin und setzen über zu unseren Ankernachbarn. Leo wohnt schon seit 4 Jahren auf einem Boot und nachdem seine Freundin Irina (wir nennen sie jetzt mal so, da wir ihren Namen leider vergessen haben) beschlossen hat dasselbige zu tun, haben sie sich ein größeres Boot gekauft. Auf diesem Leben sie nun das ganze Jahr über in Kopenhagen. Ich finde es sehr cool auch mal von Leuten zu hören, die im Norden auf ihrem Boot wohnen, Vollzeit arbeiten und damit wirklich zufrieden sind. Sie erzählen uns von ihren Plänen nächstes Jahr in wärmere Gefilde umzusiedeln und länger unterwegs zu sein. Aber jetzt sind die beiden gerade im Urlaub und nachdem sie letztes Jahr Schweden unsicher gemacht haben, wollte Irina auch mal in ihrem Heimatland segeln gehen. Leider ist das ihr letztes Urlaubswochenende. Ihr kleiner Welpe ist tatsächlich erst 12 Wochen alt. Er soll ein richtiger Bootshund werden und ich finde er macht seine Sache schon jetzt ziemlich gut. Einen ungewollten Tauchgang hat er heute schon hinter sich bei dem er blitzschnell wieder hochgeholt wurde. Ganz schön mutig direkt mit einem Welpen loszusegeln, aber wer ein richtiger Bootshund werden soll, muss früh anfangen. Sie haben aber auch sehr behutsam und mit kleinen Minischlägen und wenig Wellengang angefangen, um ihn langsam dran zu gewöhnen. Die drei geben jedenfalls ein witziges und sympathisches Trio ab. Wir tauschen Nummern aus und würden uns freuen sie in Kopenhagen besuchen zu können, falls unser Weg uns dahin führen sollte. Der Tag ging für uns beide sehr glücklich zu Ende. Ich durfte den ganzen Abend einen Welpen kraulen und Paul bekam von Leo alte Seekarten für Fünen geschenkt. Davon spricht Paul schon seit Wochen. Seine Augen leuchten als er mir von unserer tonnenabstreichenden und positionsbestimmenden Zukunft erzählt. Naja wohl eher später, da wir jetzt schon am nördlichsten Teil der Seekarten angekommen sind und auf dem Weg weiter in den Norden sind.
Am nächsten Tag sollte es endlich auf die Insel gehen. Paul paddelt uns Richtung Strand, wir ziehen Kevin in die Dünung, halten einen kurzen Schnack mit den frischgebackenen Hundeltern die gerade von einer Gassirunde zurückkommen und stapfen los. Wir wollen bis Nordby kommen, da diese kleine Stadt von den meisten mit glitzernden Augen beschrieben wird. Aber bis Nordby ist es ein gutes Stück. Egal, wir haben Bewegungsdrang nach den letzten Tagen und sind voller Motivation. Also Schuhe an den Rucksack gebunden und barfuss durch den wunderbar feinen Sand gewatet. Es ist traumhaft schön hier. Breite Strände, keine Menschen weit und breit, glasklares Wasser und Sonnenschein. Einfach himmlisch.
Ich bin jetzt schon überaus begeistert von Samsø, dabei haben wir das schnuckelige Nordby noch garnicht gesehen. Nach ein paar Kilometern hat unser hochprofessioneller Lenkdrachen (billiges Werbegeschenk aus den Kellertiefen meiner Eltern) seinen allerersten und wahrscheinlich auch letzen Auftritt.
Nach einer gefühlten Ewigkeit gucken wir bei Google Maps mal, wann wir denn abbiegen müssen. Es stellte sich raus: noch lange lange nicht. Uff, die Entfernungen sind am Strand echt schlecht abzuschätzen – vorallem hier, wo die Küstenlinie so geschwungen ist. Also Schultern straffen und weiter marschieren. Irgendwann ist es dann so weit und wir biegen nach links ab und laufen zwischen Feldern auf Norby zu. Natürlich nicht ohne an prallgefüllten Brombeersträuchern zu stoppen und diese zu plündern. Norby ist ein kleiner Ort in dem die Welt noch in Ordnung zu sein scheint. Jedes Haus dort wäre sofort startklar für ein Fotoshooting einer dänsichen Hygge-Lifestyle-Zeitschrift. Ich weiß nicht ob ich in Dänemark schonmal einen so durch und durch dänischen Ort besucht habe. Ich glaube nicht. Erstaunlicherweise wohnen hier in dieser „Dänemark Ausstellung“ tatsächlich Menschen. Wir stromern durch den Ort und kommen aus dem „Guck mal hier“ und „Guck mal dort“ garnicht mehr raus. Wunderschöne Gärten mit prallgefüllten dunkelroten Äpfeln, bunten Beeten und süßen Sitzgruppen.
Überall stehen kleine Flohmarktstände vor den Häusern, in denen man Trödel oder Handwerkskunst gegen dänische Kronen in einer Klimperdose erwerben kann. auf Vertrauensbasis natürlich, wie es in Dänemark an so vielen Stellen der Fall ist. Viele haben ihre Garagen zu Dauer-Flohmärkten („Loppa“) umfunktioniert. Überall gibt es was zu gucken. Wir schlendern durch die Innenstadt und finden dann eine Eisdiele, die uns für unsere bisher zurückgelegten Kilometer belohnt. Wir gönnen uns das Spezialangebot und finden kurz darauf jeder ein leckeres Stück Kuchen, selbstgemachtes Eis und einen Kaffee vor uns. So geht leben!
Dann folgt der Rückweg. Diesmal nicht am Strand sondern entlang der Straße und durch Wälder.
Hier finden wir viele Verkaufsstände der anderen Art. Da Samsø die Speisekammer Dänemarks (so sagt man wohl) ist, gehört es selbstverständlich zum Ambiente, dass die Bauern ihr Gemüse und Obst an Ständen überall auf der Insel auslegen. Auch hier wirft man einfach ein paar Kronen in die Box und alles läuft auf Vertrauensbasis. Beziehungsweise wählen die Dänen eher die Bezahlmethode des „Mobilepay“, bei der sie einfach mit dem Handy bezahlen. Leider kann man diese dänische App nur mit einem dänischen Bankkonto benutzen aber in einem Gespräch mit dem Eisverkäufer erfahren wir, dass die Dänen eigentlich ausschließlich und überall so bezahlen. Ob in Restaurants, unter Freunden, in Läden oder diesen Selbstbedienungsständen. Wieder einmal merken wir, dass in Deutschland digital einiges rückständiger läuft als in unseren Nachbarländern. Nebenbei sei erwähnt, dass wir bisher in keiner unserer teilweise auch etwas abgelegeneren Ankerbuchten kein Internet hatten.
Wir kaufen kleine Spargelkartoffeln, frische Petersilie und Lauchzwiebeln. Zusätzlich gönnen wir uns Erdbeeren um den Rückweg zu versüßen. An einem Stand entdecke ich eine kleine alte Petroleumlampe. Die wird auch noch eingesackt, obwohl sich leider später rausstellt, dass sie nicht dicht ist. Aber bei dem Preis (1,20 Euro) war eigentlich auch klar, dass sie eher nur noch als Dekoelement zu gebrauchen ist. Probiert haben wir es trotzdem und uns an 10 Minuten schönem warmen Licht erfreut.
Zum Schluss fallen uns fast die Füße ab. Wir laufen insgesamt rund 25 Kilometer und die Hälfte davon am Strand. Völlig fertig kommen wir wieder bei Kevin an. Der alte Gauner hat sich zum Glück kein Stück bewegt und treu auf uns gewartet. Nur Luft hat er etwas verloren aber es wird wohl noch reichen, um uns mit unserer Beute wieder zu Scarlett zu geleiten. Abends gibt es die kleinen Kartöffelchen mit frischem Petersilienpesto und Portwein bei Sonnenuntergang. Was für ein Tag!