Heute ist Sonntag, der 5. Mai. Zweiter Tag unserer Reise. Es regnet.
Was für ein Glück! Wir können guten Gewissens wunderbar ausschlafen, ohne den Drang zu verspüren aus der Koje springen zu wollen um die Schönheit unserer Bucht zu bewundern. Stattdessen fix bibbernd raus an die Reling, um sich danach wieder schön warm auf unseren Seegrasmatratzen und unter unseren dicken, weichen Decken einkuscheln zu können. Rasmus (der nordische Wettergott, von dem wird man hier bestimmt noch öfters hören) meint es heute genau richtig mit uns!
Wie so oft ist einer von uns früher wach als die andere. Da wird dann schonmal am ersten Morgen in der Ankerbucht erstmal der Laptop zerlegt und ganz gemütlich bei einer Tasse Kaffee eine neue Festplatte eingebaut. Herrlich!
Nach einem weiteren Kaffee passen wir das für diesen Tag einzige angesagte regenfreie Wetterfenster ab, und brechen auf Richtung Kappeln. Das Anker-Auf-Manöver unter Segeln sitzt, und so dümpeln wir bei 3 Bft aus Süd (Halbwind für uns) in die Schlei hinein.
Wir kommen in eine ziemlich heftige Windabdeckung vom Wald neben uns, mit abwechselnd Flaute und dann wieder Böen aus allen Richtungen. Während die anderen Segler um uns herum ihre Segel einholen und motoren, zieht Ilvy auch unter diesen schwierigen Bedingungen vorwärts: die vielen Latten im Dschunkensegel sorgen dafür dass auch bei so gut wie keinem Wind das Segel weiterhin steht statt einzufallen – und damit zieht. Faszinierend! Das Grinsen ist zurück… und sollte uns bald bis zu den Ohren reichen.
Denn kaum um die Ecke, frischt der Wind auf 3-4 Bft auf und wir kreuzen die enge Fahrrinne nach Kappeln hoch. Das erste Mal richtig an der Kreuz mit dem neuen Rig. Ich werde ja öfter mal am Steg nach den Amwind-Eigenschaften gefragt, á la „Na, so ne Dschunke läuft doch keine Höhe, oder?“ oder „das ist ja alles schön und gut mit den Reffeigenschaften, aber am Wind versagt die doch!?“.
Naja, seht selbst…
Das sind hammergeile Wendewinkel, und das noch mit knapp 1 kn Strom von vorne. Das originale Rig (Bermudarig) hätte diese Wendewinkel nur knapp erreicht – aber nur ohne Gegenstrom. Geil, das ist der Beweis: eine Maxi 77 mit diesem Dschunkenrig geht richtig ab, und macht heftig Laune! Denn sexy Wendewinkel sind ja schön und gut, aber da ist noch mehr: Die Wenden sind sowas von entspannt geworden. Es gibt keine Vorschoter-Aufgaben mehr, Toni hätte während der gesamten Kreuz entspannt im Cockpit sitzen, Kaffee trinken und stricken können (umgekehrt natürlich genauso).
Plus: es killt (flattert) kein Segel mehr während den Wenden. Erst durch die Wenden mit unserer Dschunke haben wir im Vergleich zu den alten Segeln bemerkt, wie viel Stress in den Wenden durch die schiere Lautstärke des killenden Segels entsteht. Das fällt nun bei uns komplett weg, die Wenden sind nicht nur butterweich und schnell, sondern auch unnormal leise. Daran musste man sich erstmal gewöhnen – aber jetzt wollen wir es nie wieder missen! Ach herrlich, es läuft bisher einfach alles prima mit dem neuen Rig.
Während wir so mirnichts dirnichts die Schlei hinaufkreuzen, werden wir von Claudi und Jörg – Tonis Eltern – von einem Jollensteg aus beobachtet und geknipst. Mensch, schon wieder Fotos von uns. Danke, ihr beiden! Wir lassen es uns nicht nehmen und semmeln einmal so dicht an ihnen vorbei, wie die Wassertiefe es zulässt.
Nach einem nicht so ganz vorzeigbaren ersten Anlegemanöver dieser Reise (es muss ja auch noch Luft nach oben bleiben), werden wir freudig von den dreien in Empfang genommen. Wir schnacken und erzählen, erkunden die Kappeler Promenade, genießen Brathering unterm Schirm im Regenschauer und bewundern einprägsame Traditionssegler an der Pier.
Wir lassen den Abend gemütlich gemeinsam ausklingen. Es war schön die beiden nochmal zu sehen, fare well, fare well!
Am nächsten Tag ist Montag. Ein Montag wie man sich ihn wünscht: Füße hochlegen, in die Wolken starren, Abschalten. Mit niemandem reden, die Gedanken ordnen, die Eindrücke der letzten Tage verarbeiten, herunterfahren. Gut tut das, richtig gut!