Tag 1
Heute wollen wir endlich nach Stockholm segeln. So lange freuen wir uns schon auf dieses wichtige Etappenziel. Wir sind hungrig nach Kultur, Eindrücken, Kaffee und Kanelbullar und durch die Stadt stromern. Eine kleine Erledigungsliste haben wir natürlich auch angesammelt. Also los! Anker auf und die letzten 5 Seemeilen zum Hafen fahren.
Heute motoren wir ausnahmsweise einmal. Der Wind ist seeehr flau aber wir wollen schnell ankommen, damit wir möglichst viel Zeit in der Hauptstadt verbringen können. So brummt unser Motor ungefähr eine Stunde lang bis wir im Västerbrohafen ankommen. Dieser liegt genau unter der Västerbro („westliche Brücke“) und so rangieren wir Ilvy in eine Box direkt unter der gigantischen Brücke. Etwas merkwürdig mit den rauschenden Autos über uns, aber so werden wir aufjedenfall nicht von oben nass. Wir sind froh einen Platz telefonisch klargemacht zu haben. Die Liegeplätze in Stockholm sind rar und der Wasahafen (Haupthafen) doppelt so teuer und meistens voll. Aber hier liegen wir jetzt ruhig und günstig. Mit dem Bus sind wir in 15 Minuten in der Innenstadt. Läuft!
Nun ab in die Innenstadt. Die Sonne brennt erbarmungslos, es ist heiß und die wenigsten Menschen würden sich heute wahrscheinlich eine Stadttour antun. Generell ist Stockholm gerade sehr leer und entspannt. Die Schweden und Schwedinnen sind in ihrem kollektiven Staatsurlaub und der Stadt entflohen. Daher wirkt Stockholm sehr entspannt, wenig rummelig und sehr luftig auf uns. Kein Großstadtgedränge, hektische Menschen oder überfüllte Bahnen. Nur die Straßenbahnlinie in Richtung der „Museumsinsel“ in der wir jetzt sitzen, ist etwas voller da es dort viel zu sehen gibt für Touris wie uns. Doch bevor wir uns Kultur geben, müssen wir unserem Magen erstmal Essen geben. Wir gehen ins „Skroten Café & Skeppshandel“ ( vielen Dank an Maren und Ricarda für den tollen Tipp) und bestellen einen unglaublich leckeren Lunch. Das Café ist sehr maritim eingerichtet und ist eine Mischung aus Museum, Antiquitätenhändler, Markt für handgemachtes und Szeneladen. Wir Liebens!
Danach gehen wir ins „Skansen“ was definitiv eine meiner Stockholmhighlights ist. Es ist ein gigantisches Freilichtmuseum, das schon 1891 eröffnet wurde. Um die 150 Gebäude wurden seit damals aus ganz Schweden dahin umgesiedelt. Es zeigt die Architektur, die Ausstattung, Lebart und Arbeitsweisen des vergangen Schwedens über alle Regionen des großen Landes hinweg. Seine Aufgabe ist die authentische Erhaltung und Rekonstruktion der Geschichte. Und wir fühlen es. Wir tauchen ein in diese Welt und verlieren nach kurzer Zeit in diesem Park völlig das Gefühl in einer Großstadt zu sein. Einen großen Einfluss darauf haben die Menschen, die in den Häusern arbeiten und sitzen und komplett in ihre Rollen schlüpfen. Sie sind historisch gekleidet und gehen typischen Arbeiten aus dieser Zeit nach. Fast in jedem Haus suchen wir das Gespräch und erfahren noch so viel mehr über die Zeit und die Lebensumstände. Wir gucken ihnen bei den Handarbeiten zu, staunen, fragen und fachsimpeln. Lebendiger kann ein Museum nicht sein.
Leider schließen die Häuser um 17 Uhr und wir sind etwas zu spät in den Park gegangen. Die Frau am Eingang meinte, dass 2-3 Stunden locker reichen. Wir sind nun schon bei 4 Stunden und haben nicht ansatzweise alles gesehen was wir sehen wollen. Zu spannend sind die Gespräche und die dargestellten Handwerke. Ich sehe jede Menge Inspirationen für meine Schnitzarbeiten, denn wie man sich vorstellen kann, hat die in Schweden eine lange Tradition. Paul ist fasziniert von der Tischlerei und der Maschienenschlosserei. Hier wird jede Maschine von großen Lederriemen angetrieben, die unter der Decke hängen. Die Frau in der Tischlerei wirft sie sogar extra für uns an. Höllisch laut und gefährlich war das damals.
Als die Häuser schließen, schlendern wir durch den umfangreichen Park. Hier gibt es ebenfalls so viel zu sehen und es ist sehr authentisch angelegt. Kleine Gemüsegärten, Weizenfelder und Brunnen. Jede Menge Tiergehege gibt es auch und so schleppen wir uns mit mittlerweile schmerzenden Füße zu den Luchsen, Polarfüchsen, Bären und Elchen. Doch bis auf einen Luchs aus der Ferne will sich uns niemand zeigen. So hängen wir an den spannend gestalteten Infoschildern und lernen auch hier jede Menge.
Ich merke, dass dieser Text den Eindrücken, Gedanken und Erkenntnissen des Besuchs überhaupt nicht gerecht wird. Zu besonders und eindrucksvoll ist dieser Ort, um ihn hier in ein paar Bildern und Worten beschreiben zu können. Also bleibt euch nur ihn selbst zu erkunden und euch ein Bild zu machen. Lasst euch dabei unbedingt mehr Zeit als wir und nehmt euch Snacks mit.
Mit vollen Köpfen, vielen Eindrücken und noch mehr Inspirationen macht wir uns auf den Weg etwas essbares zu suchen. Da Abendessen im Restaurant sehr teuer sind schauen wir bei einem Supermarkt vorbei, kaufen uns Frischkäse, Brot und Oliven und setzen uns an die Promenade. In gemütlichen Liegestühlen beobachten wir das abendliche Wochenendtreiben, tauschen unsere Eindrücke aus und legen die Füße hoch. Was für ein gelungener erster Tag!
Tag 2
Wir sind in der Innenstadt unterwegs um zu Bummeln und einige unserer Besorgungen zu erledigen. Wollläden sind natürlich auch auf der Liste, aber enttäuschen mich etwas. Entweder sind sie wegen Ferien geschlossen oder recht klein und nicht nach meinem Geschmack. Zum Glück habe ich aller Lästereien zum Trotz einen umfangreichen Wollvorrat von zuhause mitgebracht und nicht auf vorbeischwimmende Wollgeschäfte gesetzt. Garnicht enttäuscht bin ich von dem Bastelgeschäft, das wir als erstes ansteuern. Der Name Bastelgeschäft wird dem „Slöjd-Detaljer“ überhaupt nicht gerecht. Hier gibt es alles was bastelnde Handwerker oder Handwerkerinnen brauchen können. Metall, Holz, Hanfseile, Leder. Von fein bis rau. Besonders fasziniert bin ich von der großen Auswahl an Schnitzartikeln. Messer, Holzrohlinge, Schleifsteine und viele inspirierende Bücher. Hier finde ich auch das was ich gesucht habe: ein Schälmesser, um Rundungen wie Löffel schnitzen zu können. Ich würde den Laden am liebsten in meine Hosentasche packen und in Kiel wieder einpflanzen.
Nach ein paar Stippvisiten in Outdoorläden (hier gibt es eine ganze Straße für solche Läden und Marken) machen wir es uns zur Fika gemütlich. Nach der Pause düsen wir mit der U-Bahn in die Altstadt. Diese ist auf einer kleinen vorgelagerten Insel angesiedelt. Stockholm ist übrigens auf 7 Inseln gebaut, daher fahren auch viele Fähren ganz normal im Netz der öffentlichen Verkehrsmittel hin und her.
Die Altstadt ist gemütlich. Kleine Gässchen sind übersäht von Restaurants, Waffelständen, Boutiquen und Tourishops, mit den üblichen schwedischen Produkten. Wir gucken kurz in ein Wikingerrestaurant rein, das probevoll ist und gerade eine Show am laufen hat. Wir schlendern durch die Gassen und lassen die Eindrücke auf uns wirken. Irgendwann können unsere Füße einfach nicht mehr und wir setzen uns auf die Terrasse eines Burgerestaurants. Hier mampfen wir entspannt und gucken den Möwen beim bestehlen der Touristen zu.
Tag 3
Heute ist Sonntag, wir wollen U-Bahn fahren. Viel U-Bahn fahren. Mit gefüllten Kaffeebechern verlassen wir um 6:30 das Boot. Die drei U-Bahnlinien sind tief in den Stein gesprengt. Um die Felswände nicht zu deprimierend wirken zu lassen, wurde aus dem U-bahnnetz eine Kunstausstellung gemacht. Unzählige Stationen wurden aufwändig gestaltet und das gucken wir uns heute an. Wir fahren eine Station, steigen aus, gucken uns alles an und steigen 10 Minuten später in die nächste Bahn. Damit verbringen wir zwei Stündchen und sind wiedermal sehr beeindruckt. Viele Stationen sind naturwissenschaftlichen Schwerpunkten gewidmet.
Danach wollen wir weiter ins berühmte Vasamuseum. Doch die Eingangshalle ist so voll, dass wir beschließen morgen früh wieder zu kommen. Reisen mit Zeit ist Luxus. Wir haben eh schon beschlossen noch einen Tag länger als geplant zu bleiben. Der Übernachtungspreis von 12€ pro Person ist einfach unschlagbar für eine Hauptstadt und es gibt so viel zu sehen. Also schauen wir uns heute das kleinere Wrackmuseum an, in dem es um alte Wracks aus verschiedenen Zeiten geht. Auch dieses Museum ist sehr ansprechend aufbereitet und alles andere als verstaubt.
Anschließend düsen wir mit der Fähre auf eine kleine Insel „Skeppsholmen“. Dort gibt es alte Kasernen und eine traditionelle Holzbootwerft zu sehen. Das Ufer ist gesäumt von unzähligen Wohnschiffen, die so ein schönes Flair verbreiten. Das würde Kiel auch gut tun.
Die nächste Fähre spuckt uns in Södermalm aus. Ein Wohnviertel der Jungen und Kreativen im Süden der Stadt. Hier kehren wir für Fika ein und beobachten das Treiben. Ein kleiner Wanderweg entlang der Steilküste bietet einen wunderbaren Blick über die Innenstadt von Stockholm. Hier finden sich viele Stockholmer und Stockholmerinnen zum Feierabend ein.
Danach kaufen wir noch einige Lebensmittel und bugsieren dank eines Busses die Einkäufe deutlich komfortabler als sonst zum Boot. Wir lassen den Abend auf der Terrasse der Hafenküche mit Blick auf Stockholm ausklingen. Es gibt Kühlschrankessen: Kötbullar mit Kartoffeln und Sauce. Wir spielen Karten, trinken Weißwein und beobachten das Treiben im Hafen. Zufrieden fallen wir ins Bett.
Tag 4
Nun wollen wir aber wirklich ins Vasamuseum. Wir stehen fast pünktlich zu Eröffnung auf der Matte und kommen in den Genuss einer nur leicht gefüllten Halle. Google gibt eine durchschnittliche Besuchszeit von 2,5 Stunden an. Pauls und Tonis brauchen 7 Stunden. Auch diesmal ohne Snacks. Wie groß unser Hunger ist merken wir erst beim Verlassen der Schiffshalle. So tief drin waren wir im Sog der Geschichte, der Faszination und der einfallsreichen musealen Aufbereitung. Mit nichten wurde hier einfach „nur“ ein altes gesunkenes Schiff ausgestellt. Aber mal von Anfang an. Was ist die Vasa überhaupt?
Die Vasa (oder historisch: Wasa[1]) war eine schwedische Galeone, die zu den größten und am stärksten bewaffneten Kriegsschiffen ihrer Zeit zählte. Bereits zu Beginn ihrer Jungfernfahrt am 10. August 1628 sank die Vasa nach nur etwa 1300 Metern Fahrtstrecke bei normalem Seegang wegen schwerwiegender konstruktiver Instabilität. Nach Bergung 1961 wurden ihre Bestandteile stabilisiert und restauriert. Sie ist heute im Vasa-Museum in Stockholm ausgestellt. Das Schiff trägt den Namen der schwedischen Königsdynastie Wasa(schwedisch vasa).
Wikipedia
Wir standen also vor einem gigantischen, alten und originalen Holzkriegsschiff, das jahrelang auf dem Meeresgrund vor Stockholm gelegen hat. Die Halle wurde um das Schiff gebaut, es ist kühl und dunkel, um das Schiff möglichst lange zu konservieren. Vor der Vasa steht eine kleine Modell-Vasa, die detailgetreu das einstige Schiff zeigt. Jahrelang haben Forschende die Schiffsteile untersucht, Farbpigmente rekonstruiert und Funde aufbereitet. Es gibt sogar noch originale Segel! Auf jedem der 6 Etagen erwartet uns eine neue Sensation, eine tolle Aufbereitung und vieles zum Staunen. Mir scheint das Museumsgame hat Stockholm wirklich drauf. Wir tauchen ein in die Welt von damals. Viele Leichen und deren Habseeligkeiten wurden im Schiffsbau gefunden. Wir lesen uns durch die Geschichten der damaligen Passagiere, bewundern die Baukunst dieses mystischen Schiffs und lassen uns verzaubern von alten Zeiten.
Bis das Museum uns wieder ausspuckt und wir uns halb verhungert wieder ins „Skroten Café & Skeppshandel“ begeben und es uns kulinarisch gut gehen lassen. Wir sind platt von den Eindrücken und lassen das erstmal alles sacken. Was für ein Museum!
Mehr geht heute nicht mehr. Unsere Füße sind platt, die Köpfe voll. Langsam tingeln wir zurück zum Boot. Was waren das für vollkommene Stockholmtage. Es war alles dabei und schöner hätte ich es mir nicht vorstellen können. Ich hatte erwartet, dass ich nach dem Besuch nur noch weg will aus der trubeligen, stinkenden und anstrengenden Großstadt. Aber Stockholm hat sich uns als das komplette Gegenteil präsentiert. Ich könnte noch länger bleiben aber ich habe auch nicht das Gefühl etwas verpasst zu haben und wieder Lust auf Schärenhopping.
Stockholm ist damit ganz oben in mein persönliches Städteranking gerutscht und ich habe schon Ideen im Kopf für einen nächsten Besuch.
Jaaa, Wasa Museum. Mir ist vollkommen schleierhaft wie man da in 2,5 h durch sein soll…
Wir waren auch einen ganzen Tag dort und haben die edelsten Toiletten der Welt (aus massivem Kupfer) bestaunt…
Weiter schöne Zeit!