#46 In bekannten Gewässern

Tschüss, Risö!

Wir verlassen diese schöne Bucht in Risö mit Kurs Süd. Heute soll es mal wieder ein sehr langer Schlag werden, der Wind ist einfach zu gut angesagt. Toni legt ab, und trotzt damit ihrem Knöchel-Schicksal: einfach nicht unterkriegen lassen! Es fällt uns sehr schwer, den Götakanal-Plan aufzugeben, und doch verspüren wir heute morgen auch etwas Vorfreude auf die kommenden Alternativen.

Die Meilen fliegen heute einfach nur so durch, wir reißen richtig Strecke. Dabei saugen wir mit aller Kraft nochmal die uns umgebende Landschaft auf. Es tut soooo gut hier zu sein! Natürlich werden auch dutzende Fotos geschossen – jetzt, so kurz vor Verlassen dieser traumhaften Schärenwelt, kommt nochmal sowas wie Torschusspanik auf. Nochmal alles Festhalten!!!

Ständig kreuzen wir heute unser ehemaliges Kehrwasser vom Weg in den Norden. Einige viele Stellen erkennen wir sogar wieder. Auch Harstena, wo wir vor zwei Monaten ein unvergessliches Midsommar mit unglaublich sympathischen Menschen feierten, liegt bald querab. Wir rauschen einfach nur vorbei… So viele schöne Erinnerungen. Ich bekomme ich ein bisschen feuchte Augen wenn ich daran zurück denke.

Raus aufs offene Meer!
Zum Abschied mal wieder ein Adler!
„Das muss das Segel aushalten…!“

Kurz vor Västervik leisten wir uns noch ein kleines Amwind-Duell mit einer sportlichen 38-Fuß Yacht. Natürlich laufen die ein bisschen höher und sind ein bisschen schneller… Doch sobald das Fahrwasser schmaler wird, haben sie keine Lust mehr auf die viele Segelarbeit, schießen in den Wind und motoren knatternd davon. Was macht Ilvy? Segelt mühelos eine Wende nach der nächsten, die restlichen Meilen lang, bis hinter die Molenköpfe der Hafeneinfahrt. Geräuschlos und ohne Geknatter, geruchslos und ohne Geflatter, dafür entspannt und mit viel Geschnatter 🙂

Der schon von Weitem sichtbare Turm von Spärö. Erinnerungen durchzucken uns.

In Västervik waren wir schon einmal auf dem Nordweg. Diesmal wählen wir eine andere Marina, und sind positiv überzeugt. Alles tip top, sogar die Hocker im Sanitärhaus sind vergoldet. Wir dürfen uns später sogar Handwagen ausleihen um den Einkauf zum Boot zu transportieren, und der Hafenmeister nimmt unsere kaputten Bleibatterien an und entsorgt sie kostenlos für uns. Wow, das erspart uns eine Menge Arbeit!

Doch erstmal legen wir an, was dank der freundlichen Hilfe von Anso prima funktioniert, obwohl wir nach diesem langen Tag richtig müde und kaputt sind. Sie nimmt unsere Leinen vom Steg aus an, und ihr erste Frage lautet: „Ist das etwa eine Dschunke?“ Das Eis ist gebrochen, wir laden Anso und Philipp gleich mal zum Probesegeln am nächsten Tag ein! Heute sind wir zu k.O. zum socializen, aber morgen sind die beiden ja auch noch da. Für uns gibt’s heute nur noch Duschen, Burger und Eis mampfen gehen, Koje. Gute Nacht!

Sonnenuntergang durchs Fenster der Schlossruine.

Am nächsten Morgen kommen wir kaum aus den Federn, so müde sind wir. Bis zum verabredeten Zeitpunkt zum Segeln schaffen wir es gerade mal zu einem Kaffee, doch das Frühtück wird verschoben. Dann kommen die sympathischen Beiden auch schon an Bord, und das Gequatsche beginnt. Ganz begeistert erzählen wir von der Dschunke, erklären und führen vor, und ganz begeistert wird von den Beiden aufgenommen was wir da gebaut haben. Dann geht es los, wir legen ab und ziehen direkt hinter der Hafeneinfahrt das Segel hoch. Es hagelt Ahhh’s und Ohhh’s. Innerhalb kürzester Zeit prasseln die Vorteile des Dschunkenrigs auf die beiden ein – und diesmal nicht nur verbal, sondern auch zum Selbsterfahren! Es wird gewendet, gerefft, Patenthalsen gefahren, hoch am Wind gesegelt, vor dem Wind die Segelfläche verringert, der Stille in den Wenden gelauscht, und und und. An den leuchtenden Augen der beiden meinen wir zu erkennen, dass sie nun vollends überzeugt sind. Mal sehen wann sie ihr eigenes Boot umrüsten, oder umrüsten lassen? Mir würde da wohl jemand einfallen, der das für sie erledigen könnte 😉 Zum krönenden Abschluss segeln wir unter gerefften Segeln bis kurz vor die Box. Überall im Hafen recken sich Hälse, und als wir angelegt haben, regnet es den ein oder anderen Daumen nach oben. Danach führen wir noch Ilvy’s restliches Innenleben vor, bevor uns die beiden auf einen Kaffee zu sich an Bord ihrer Fellowship 28 einladen. Es wird interessant und gemütlich. Irgendwann nachmittags knurren nicht nur unsere Mägen. Kaum zurück auf Ilvy, realisieren wir, dass wir uns schon wieder heftigst festgequatscht hatten. Es ist nach 15 Uhr, und wir haben nur Kaffee im Magen. Oha! Schnell was futtern, und Wasser gibt’s auch dazu. Aber hey, solche Tage lieben wir, es ist einfach alles viel zu spannend wenn die Zeit so davon fliegt.

Nachmittags folgt dann unser Standard-Hafenprogramm: Einkaufen und Wäsche machen. Philipp und Anso arbeiten in der Zwischenzeit an ihren Laptops. Pünktlich zur Mückenstunde kommen sie dann gegen 21 Uhr nochmal auf ein paar Bier zu uns an Bord, und es wird ein langer, schöner und lustiger Abend. Um 2 Uhr ist’s vorbei.

Während wir am nächsten Morgen ausschlafen, legen die beiden schon um 7 Uhr ab. Mal wieder heißt es „Auf Wiedersehen!“, mal wieder eine Verabschiedung die sehr schwer fällt. Reisen ist so schön, aber das ständige Verabschieden von tollen Menschen versaut einem manchmal den ganzen Tag…

Als wir dann endlich fit werden, gönnen wir uns erstmal ein super schmackhaftes Essen in der Bageri 96: frischer O-Saft, selbstgemachtes Müsli, frische belegte Sauerteig-Brötchen und Kaffee zum endlosen Nachfüllen (üblich in Schweden). Läuft! Toni schlendert danach zu einer Apotheke um eine Stützbandage für ihren Knöchel zu besorgen, während ich mit dem Handwagen vom Hafen zum nächsten Baumarkt marschiere um eine neue Batterie zu kaufen. Das klappt alles.

Danach baue ich noch die beiden alten, defekten AGM-Batterien aus (180 Ah insgesamt) und setze die neue Standard-Starterbatterie ein (60 Ah). Damit verringern wir unsere elektrische Pufferkapazität auf unter 30% der bisherigen Batteriebank, doch das soll als Brückenlösung bis nach Hause genügen. Dort gibt’s dann vielleicht ne ordentliche Lithiumbatterie aus dem Internet – die hier bei den Yachtausrüstern sind einfach zu unverschämt teuer. Da tagsüber die Solarzellen eh mehr als genügend Strom liefern, muss die Batterie nur den Abend und die Nacht abpuffern. Dann läuft der Laptop abends eben nicht mehr, und wir genießen analoge Unterhaltung. Immer schön die Vorteile sehen 🙂

Nachdem unsere letzte Nacht hier in Västervik verstrichen ist (mit Blutmond am Abend), klingelt der Wecker schon um 5 Uhr morgens. Ich mache uns Kaffee und Ilvy segelklar, sodass Toni kurze Zeit später nur aufstehen und mit Kaffee in der Hand in die aufgehende Sonne lächeln muss. Nachdem die Augen dank dem Koffein-Schub freiwillig offen bleiben, legen wir komplett unter Segeln und ohne Motor aus dem Hafen ab. Bei so wenig Wind wie heute kein Problem. Die Stadt spiegelt sich im glatten Wasser, und wünscht uns Lebewohl. Tschüss Västervik, du bist neben Stockholm das städtische Highlight unserer bisherigen Reise!

Morgendämmerung, 0400 Uhr, 57.8°N.

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