Nach dem Ablegen aus Västervik unter Segeln dümpeln wir dahin. Es ist ganz früh am Morgen, da wir den angesagten leichten Westwind abgreifen wollten, bevor er für den ganzen Tag auf Süd dreht. Aber er ist nicht mehr als ein leichter Lufthauch, aber wenigstens aus West.
Paul legt sich nochmal schlafen (heimtückische Mücken haben ihm nachts den Schlaf geraubt) während ich Ilvy anfeuere die 0,5 Knoten Geschwindigkeit (1 km/h) nicht zu verlieren. Irgendwann vertreiben wir seitlich und das enge Fahrwasser voraus lässt mich dann doch den Motor anschmeißen. Der Blick auf die Inseln mit spiegelglattem Wasser und strahlend weißen Schein der Sonne raubt mir den Atem. Da sich Paul gerade bewegt hat, frage ich ihn, ob er was Schönes sehen will. Meine Begeisterung kann mein verschlafener Mitsegler nicht ganz nachvollziehen. Er hat wohl mindestens 10 Robben und 3 Adler erwartet, wenn er schon geweckt wird. Naja, Schönheit liegt ja im Auge der Betrachtenden.
Wir motoren in die enge Durchfahrt von Spårö. Auf dem Hinweg konnten wir hier durchsegeln und geniale Drohnenaufnahmen machen. Heute motoren wir die beeindruckende Durchfahrt gegen den Wind. Hinter der Insel steht Wind und wir können endlich wieder segeln. 30 Minuten motoren ist ungewöhnlich lang für uns und ich bin froh, als das Geknatter vorbei ist.
Wir kreuzen und kreuzen den ganzen Tag. Von Backe auf Backe, Wende um Wende, hin und her. Zum Glück immernoch in der Schärenwelt und ohne viel Welle. Das Hin und Her ist schwer auszugleichen mit einem Fuß, den man schonen möchte. Wir genießen die Schären, die duzenden Leuchttürme, die Kormorane und Inseln. Wir atmen sie ein die Luft des schwedischen Paradieses wohl wissend, das dies einer unserer letzten Törns in ihm sein wird.
Wir steuern Alö an. Morgen ist starker Südwind angesagt und in der großen Bucht gibt es viele Liegemöglichkeiten. Auch zwei SXK-Bojen, aber eigentlich wollen wir nochmal an den Fels. Beim Einlaufen in die Bucht wird uns klar, dass wir hier schonmal waren. Die Bucht ist so groß und verwinkelt und die Buchten wie diese unzählig in diesem Gebiet, dass es uns nicht aufgefallen ist. Da kann man schonmal den Überblick verlieren. Doch hier lagen in einer anderen Ecke der Bucht an unserem ersten Felsen, ganz eingekeilt.
Da wir hier nun echte Kenner der Bucht sind, wissen wir, dass es eine geeignete Stelle gibt, um längsseits an den Fels zu gehen. Das stand von Anfang an auf unserer Wunschliste. Einmal längsseits an den Fels anstatt bugwärts mit Heckanker. Ich steuere den Fels mit dem Bug an, Kuppel aus, während Paul im richtigen Moment mit Leine von Bord geht. Dank unserem Insiderwissen kann er die Leine direkt an der eingelassenen Öse am Fels befestigen. Zack schonmal die halbe Miete. Ich steuere Ilvys Heck Richtung Fels und gebe die Heckleine über. Zwei Springleinen, detailliertes Feintuning der Leinen und eine Fenderbarrikade später liegen wir dicht und kompakt am Fels. Perfektes Ausstiegspotential für Fußinvaliden. Wir können unser Glück kaum fassen. An unserem letzten Felsplatz können wir längsseits anlegen und uns noch einen Wunsch erfüllen. Damit haben wir nicht gerechnet.
Womit wir auch nicht gerechnet haben ist, dass eine befreundete Familie aus Kiel uns am nächsten Tag besuchen kommt. Sie ist aktuell mit ihrem Bus und Kanu in Schweden unterwegs. Eine einstündige Autofahrt und ein Kanutour später liegen sie längsseits an Ilvy. Begleitet wird das Spektakel natürlich mit der Drohne. Unser erster Besuch von zuhause an Bord, wir sind entzückt!
Es folgt ein bunter und lustiger Nachmittag zu sechst unter dem Sonnensegel, denn das Wetter ist eher wechselhaft. Es gibt Kakao, Kaffee, Malen, Toben, Schnacken, Spielzeug-Traktor-Not-OP, Fernglaserkundungen und Mittagssnack. Ein Gefühl von zuhause und Kiel durchströmt uns. Kurz vor dem Ablegen der vier gibt es noch eine Mission zu erfüllen. Das jüngste Kind ist eingeschlafen und soll nun schlafend ins Kanu transferiert werden. Über Bordwände auf Felsen und dann ins Kanu und ganz ohne Körperspannung ist eine Herausforderung. Durch Teamarbeit verschwindet das kleine Schlafbündel sicher im Bug des Kanus und es kann losgehen.
Während unseres Besuchs ist ein großer Zweimaster mit 65 Fuß in die Bucht gefahren. Im strömenden Regen mit jeder Menge Crew an Bord bereiten sie das Anlegemanöver am Fels vor. Wir wollen gerade nicht mit ihnen tauschen. Später erfahren wir, dass sie sich den Platz ausgeguckt hatten, an dem wir uns so breit gemacht hatten und ihr Plan B, die freie SXK-Boje, hat sich wohlwissend und mit Hebel auf dem Tisch eine andere Yacht geschnappt. Daher drehen sie einige Runden, bis sie sich für den Felsen direkt neben uns entschieden und angelegt. Wir kommen ins Gespräch und werden auf ein Bier am Abend eingeladen.
Doch erstmal legen wir noch eine gemeinsame Stricksession ein. Eingemurmelt in unsere Wolldecken mit Kaffee, Keksen und Hörbuch. Es ist so gemütlich und eine tolle Atmosphäre unter unserem gelben Sonnensegel. Hier fühle ich mich ganz geborgen.
Und ja ihr habt richtig gesehen, aber geheimnisvolle Weise ist mein neuer Islandpullover an Paul Körper gelandet. Mysteriöse Umstände. Aber bevor ihr mir nun eure Komplizenschaft für das Zurückerobern der beliebten Strickware anbietet, sei gesagt, dass ich es selbst vorgeschlagen habe. Denn für mich ist er etwas zu groß und Paul steht er hervorragend. Das Abendlicht und die Location haben ein kleines Fotoshooting nahe gelegt.
Dann geht es auf das gigantische Nachbarboot. Die Esprit ist top in Schuss, bietet Sailtraining Törns an und gehört zum Jugendkutterwerk Bremen e.V. Aktuell sind 11 Personen an Bord, das Schiff könnte aber 16 Personen aufnehmen. Also ein echtes Gerät an Schiff. Gemütlich sitzen wir Abends im Cockpit mit sympathischen Menschen und versuchen erst garnicht uns die Namen zu merken. Das Raumgefühl unter Deck ist weitläufig und weiß. Fast wie Ilvys Innenraum nur eben 15x so groß. Wir schnacken über Segelziele, Navigation, Dschunken und die Esprit. Ein geselliger Abend.
Also wir in der Dunkelheit zurück zu Ilvy schleichen, können wir nicht anders als den immernoch vollen Mond anzuschmachten. Er bietet ein tollen Schauspiel im Wechsel mit den Wolken, der Reflexion im Wasser und dem dichten Wald. Wir holen das Stativ raus, machen Aufnahmen mit Langzeitbelichtung und sitzen dicht umschlungen auf dem Stein. Versuchen jeden Moment einzusaugen und nicht so viel daran zu denken, dass es der letzte dieser Art seien wird.
Am Morgen springt Paul ins Wasser während meine größte Herausforderung das Öffnen beider Augen ist. Wir legen noch vor der Esprit ab. Und ihr werdet es erraten…natürlich unter Segeln. Der Wind schiebt uns vom Felsen weg und Paul hüpft an Bord mit einem letzten Schubser vom Fels. Wir hissen unseren quietschgelben Lappen vorm Wind und schon steht die Frühstücks-Wache der Esprit vollzählig an Bord und guckt. Gern würde ich uns in solchen Situationen mal von außen sehen, eingebettet in die Inselwelt und flüsterleise aus der Bucht gleitend, über der noch der Mond hängt.
Was für ein krönender Abschluss der Zeit in den Schären. Besuch an Bord und auf einem anderen spannenden Schiff, längsseits am Stein und genialer Nachthimmel. Mit diesen Erlebnissen im Herzen fühle ich mich nun bereit die Schärenwelt zu verlassen, aber natürlich trotzdem schweren Herzens. Jetzt kommt ein neuer Abschnitt. Mehr Welle, mehr Ostsee aber auch mehr verträumte Häfen, mehr Kühlschrankessen und mehr schwedisches Alltagsleben erleben.
Ihr braucht nicht so wehmütig sein…im nächsten Jahr sind die Schären auch noch da…und sogar im Schnitt 3 mm höher…toll was!
Liebe Grüße aus Kiel