Nach einem letzten Kaffee in dieser pulsierenden Metropole werfen wir die Leinen los. Mal wieder unter Segeln, nutzen wir das Ilvy’sche Pfeil-und-Bogen-Ablegemanöver. Ein Hoch auf die Heckbojen! Wir „schießen“ rückwärts aus unserem Liegeplatz, drehen das Heck in den Wind, setzen zwei Panele vor dem Wind und gurgeln gemütlich aus der engen Hafenzufahrt heraus. Geschafft! Ganz euphorisch denken wir uns, dass nach einem solchen Start heute ja nichts mehr schief gehen kann.
Weit gefehlt…
In Kopenhagen wird gebaut, am Wasser. Irgendeine wichtige Sportbootzufahrt in den inneren Wasserweg ist dadurch gesperrt, sodass alle Sportboote durch die nördliche Industrie-Hafeneinfahrt hindurch müssen (Ich hoffe ich gebe das korrekt wieder). Nun ist diese Hafeneinfahrt jedoch dermaßen eng, dass eine Begegnung zwischen Schiff und Yacht hier kritisch werden würde. Deshalb gibt es für die Sportboote eine Ampelanlage: Sobald ein großes Schiff durch die Engstelle möchte, wird die Durchfahrt per Ampel für alle Sportboote gesperrt. Wir also fröhlich am Segeln und uns selbst für unseren Ableger am Feiern, da geht vor uns die Ampel auf rot. Düdümm. Also wenden wir und segeln hin und her. Zum Glück ist das Schiff schon fast durch, und so bleibt es bei ein paar wenigen Kreisen. Kaum ist es passiert, erscheint hinter einer Häuserecke schon der nächste fette Dampfer. Uns verlässt die Hoffnung auf eine schnelle Passage, da wir wohl noch auf dieses zweite Schiff warten müssen. Doch in der Verkehrsleitstelle ist man gnädig, und für ein paar Minuten erlischt die rote Ampel. Das nutzen wir, nehmen die Schoten dicht und flutschen hindurch.
Ja, und dann folgt eine Aktion von mir, die nur mit Dummheit zu betiteln ist: Ein bisschen übermütig geworden, versuche ich, eine grüne Tonne beim Vorbeisegeln mit dem äußersten Ende unseres Baumes (der untersten Segellatte) zu treffen – challenge accepted! Aus einem doofen Impuls heraus, aus Langeweile und Selbstüberschätzung, und um Toni zu necken. Eine dieser kurzfristigen Entscheidungen, die man eigentlich schon vorher bereut… Was klappt, ist, dass ich die Boje treffe. Doch dann verfängt sich eine der Schoten am oberen Ende der Boje – bei 4 kn Fahrt. Ilvy wird herumgerissen, die gesamte Fahrt von Boje, Schot und Rig aufgestoppt. Wir können nichts tun, außer die Köpfe einzuziehen. Es geht alles ganz schnell. Ilvy quält sich zu einer unkontrollierten Halse, und ich reiße die Schot hoch. Ein paar bange Sekunden passiert gar nichts, dann löst sich die Schot und wir nehmen wieder Fahrt auf. Kurzer Blick auf die Boje: sie richtet sich auf, ihr geht’s gut. Kurzer Blick ins Segel: Alles heile, nichts gerissen, nichts kaputt. Kurzer Blick in Tonis Augen: Oh oh… Die nächste Stunde herrscht Funkstille mirgegenüber – und das völlig zurecht. Ich bin einfach nur froh, dass diese dämliche Aktion so glimpflich ausgegangen ist!
Bei der Ausfahrt Richtung Rødvig weht der Wind uns ablandig hinterher. Die Bucht zwischen Kopenhagen und Rødvig ist nicht allzu groß, sodass die Wellen trotz 5 Bft ertragbar sind.
Kaum sind wir ums Kap von Rødvig herum, schrumpfen die Wellen auf entspannte 3 cm. Der Wind bleibt frisch, und Ilvy schiebt vorwärts, während sie dem Meer ihr eigenes Wellenbild aufprägt.
In Rødvig legen wir am Längssteg an – angenehm! Auf dem Weg zum Bezahlautomaten schnuppern wir bei der nächsten Räucherei vorbei, und gönnen uns mangels angemessenem, Rødviger Kanelbullar-Angebot stattdessen eine geräuchterte Pfeffermakrele zur Fika. Auch fein!
Ich mache mich auf zu einer kleinen Wanderung entlang der weißen Kreidefelsen, die Toni leider aufgrund ihrer Fußverletzung aussetzen muss. Es geht vorbei an Klippen und Kieselstränden, Kuhweiden und Kanonen.
Am nächsten Tag rauschen wir bei 6 Bft von hinten aus Rødvig heraus, und haben mal wieder ein erfolgreiches Ablegen unter Segeln hingelegt. Ein Panel setzen, und einfach langsam davonsegeln, während es einem um die Ohren pfeift. Läuft. Die Welle kommt von hinten, und wir werden draußen auf dem Meer ordentlich durchgeschaukelt. Unser Ziel: der Bøgestrom, die nördlichste der drei Einfahrten ins Småland-Fahrwasser. Auf Höhe der Ansteuerungstonne reffen wir auf zwei Panele, um Fahrt aus dem Schiff zu nehmen. Das Fahrwasser ist sehr schmal ausgebaggert, links und rechts der Bojen wird es sehr schnell zu flach für uns. Um da nicht mit Vollgas reinzurauschen, verkleinern wir einfach mit zwei Handgriffen unsere Segelfläche und gleiten mit immernoch 4 kn in die Einfahrt. Teilweise segeln wir nur mit dem Segelbündel, ganz ohne gesetzte Panele, und sind trotzdem noch 3 kn schnell. Die Wellen verdünnisieren sich, und schon ist wieder Fjord-Segeln angesagt. Wir sind zwar aufgrund des engen Fahrwassers trotzdem noch eine ganze Weile hochkonzentriert, aber auf glattem Wasser macht das alles einfach viel mehr Sinn! Es klappt alles, ich halte gebührend Abstand von jeglicher Boje – erstmal geheilt – und wir segeln der Sonne entgegen Richtung Nyord.
Der Hafen von Nyord wurde uns von Frederik empfohlen. Er wohnt hier um die Ecke, und baut aktuell seine eigene Segelyacht von Grund auf selbst – natürlich als Dschunke. Wir freuen uns über seinen Rat als Local, und auch über seine Einschätzung, dass wir mit unserer Ilvy und ihrem Tiefgang locker durch den Bøgestrom passen. Danke!
In der Ansteuerung des Hafens von Nyord wächst so viel Seegras, dass unsere Geschwindigkeit stark abnimmt. Krass! Aufsetzen tun wir definitiv nicht, es ist wirklich das Gras unter und um uns herum. Ich gebe mehr Gas, und wir legen an: zum ersten Mal seit Monaten mit Heckdalben. Das haben wir schon hunderte Male gemacht, doch nun haben wir uns über die gesamte Zeit in Schweden so sehr an Heckbojen, Fingerstege und Heckanker gewöhnt, dass wir leicht aufgeregt sind. Aber es scheint so wie mit dem Radfahren zu sein: man verlernt es nicht. Es war sicher nicht das Anlegemanöver des Jahres, doch am Ende liegt Ilvy fest vertäut an ihrem Platz. Und was für ein Platz: Betonkai (ihr wisst, ich liebe sowas!) mit angrenzender Wiese, Ausblick auf den Sonnenuntergang vor uns, Getreide-bewachsene Hügel und das kleine Dörfchen Nyord neben uns. So schön! Da ist es auch zu verschmerzen, dass hier der Zustand der sanitären Anlagen nicht proportional zum Liegegeld ist.
Am nächsten Morgen gönne ich mir noch einen kleinen Spaziergang über die Insel. Es ist hier sooo schön, sogar der Raps blüht! Ist hier die Zeit stehen geblieben!? 😛 Ich wandere und wandere, genieße die Aussicht auf den Bøgestrom, und finde sogar noch einen kleinen Sandstrand.
Toni geht es heute morgen nicht so gut, sie ist etwas erkältet. Wir beschließen, dass sie erstmal unter Deck eingekuschelt bleibt. Ich lege ab, zum ersten Mal alleine unter Segeln. Das ist ganz schön aufregend, aber genau auf sowas hab ich ja Lust: Herausforderung!! Kurz wird es knapp mit den Dalben und dem Baum, doch ich durfte ja dahingehend neulich Erfahrungen sammeln und schaffe es noch rechtzeitig das Ruder herum zu reißen. Das Manöver gelingt, und mit nur zwei Panelen gesetzt drifte ich gemütlich durch die sehr enge Hafeneinfahrt. Kaum draußen, setze ich Kurs auf unser Tagesziel und ziehe alles an Segelfläche hoch. Toni gratuliert zum zwar von ihr nicht abgenickten, doch gelungenen Einhand-Ablegemanöver unter Segeln, und Ilvy zieht unter der Nachmittagssonne durch die verwunschene Waldlandschaft des Bøgestrom.
I don’t know how you will ever manage to wear all the wonderful clothes that Toni knits! She is so fast, too. I admire your yellow oilskin jacket? What brand is it? I wonder if I could buy one on line. All they seem to sell here in NZ are the so-called breathable ones, that not only soon start to leak, but also let the wind through. The primary use of an oilskin, really IMHO, is as a wind cheater!
She is incredibly fast, indeed! And only a fraction is for myself 😀
It is fishermen’s oilskin we are using, which basically consists of thick, durable PVC cloth. Amazingly cheap (50€) and absolutely water- and windtight. I wouldn’t swap it with one of those breathable „sailing oilskins“, even if I would be given such a high-tech 800€ jacket for free!
I don’t think it is a brand, it is just the house brand of the local commercial fishing supplier. Those will be available in NZ, too, just look for commercial fishing or offshore supply shops – not sport fishing or yachting 😉
Fortunately, you can layer clothes – wool cloth above wool cloth above wool cloth. We call it „onion look“ in German. 😃🧅