Am nächsten Morgen staunten wir nicht schlecht und völlig ungläubig, als das Arbeitsboot von VNF um die Kanalecke bog und das schon um 11 Uhr. Die Schleusenmeisterin vom Vortag hatte angekündigt, dass das Mähen der Algen ziemlich langwierig sein würde und meistens nur 1-2 Schleusenabschnitte pro Tag geschafft werden. Also rechneten wir eigentlich nicht vor dem Nachmittag auf das Erscheinen. Aber da war es zu sehen am Kanalhorizont. Sollte VNF wirklich so schnell sein und sogar die Versprechungen einhalten? Wir waren ganz aufgeregt und total gespannt wie die Fahrrinne wohl nach dem Mähen aussehen würde…Schnell kam die Auflösung, da das Boot einfach an uns vorbeizog ohne das Schneidwerk im Wasser zu haben und uns vollkommen fassungslos zurückließ. Hatte der gute Mann nicht gesehen durch welchen Algenwald er da gerade fährt und das dieser dringend eine Rasur nötig hätte? So wird das doch nie was.
Eine halbe Stunde später erreichten uns ein französisches Motorboot und ein deutsches Segelboot aus genau dieser veralgten Richtung. Die hatten es also irgendwie dadurch geschafft. Wir versuchen ein paar Informationen aus den Seglern zu locken. Die beiden haben einen Außenborder, den sie alle 15 Minuten hinten hochziehen, um die Schraube vom Gras zu befreien. Das ist in solch einer Situation natürlich praktischer als unser Innenborder. Die beiden fluchten auch ordentlich aber meinten, dass es „erst“ seit zwei Stunden so richtig schlimm ist. Die kritische Strecke scheint daher schonmal kürzer zu sein als wir angenommen haben. Außerdem würde die Mähmaschine weiter oben jetzt wohl Gras abschneiden, dass überall im Kanal schwimmt.
Aus einem Gefühl von Frustration und Hilflosigkeit beschlossen wir nicht auf die unwahrscheinliche Hilfe von VNF zu vertrauen und uns da durch zu kämpfen. Warten ist momentan nicht gerade unsere Stärke. Würden wir noch länger warten, würde sich das abgeschnittene Gras wahrscheinlich vor den Schleusen zu dicken Teppichen anstauen und die sind wirklich Gift für Motor und Wasserfilter. Also ab gehts!
Direkt die zweite Schleuse hatte wieder ein Problem. Der Telecommander zeigt an, dass die Zentrale schon informiert ist.. naja das kennen wir ja jetzt schon und vertrauen auch darauf auf keinen Fall. Vor der Schleuse lag das Arbeitsboot mit dem wir heute schon Bekanntschaft gemacht haben zusammen mit zwei weiteren Arbeitsbooten. Diese sahen aus wie kleine Krabben und werden anscheinend auch in der Task Force „Alge“ eingesetzt. Alle drei waren nicht besetzt. Mittagspause. Wir legen etwas wackelig an dem kleinen Boot an und versuchen bei VNF anzurufen. Genau jetzt ist natürlich die Mittagspause vorbei und die drei Männer wollen ablegen. Die Schleuse können sie nicht bedienen, aber einer von ihnen ist so nett die Zentrale für uns zu informieren. Also wieder ablegen und die drei passieren lassen. Sie fahren in die Richtung aus der wir gerade kamen und fangen tatsächlich an zu schneiden. In Zeitlupe und für uns die falsche Richtung. Aber witzig sieht es aus.
Unsere Schleuse zeigt weiterhin rot ist aber geöffnet. Einen Wartesteg gibt es nicht und da wir uns beim Rangieren und Warten vor der Schleuse noch mehr Algen reinziehen würden fahren wir einfach rein. Hinter uns geht das Tor zu aber schleusen möchte die Gute trotzdem nicht. Wir bringen unsere trotzige Stimmung gegenüber VNF deutlich zum Ausdruck indem wir einfach nochmal Hilfe anfordern an der Sprechanlage am Schleusenhäuschen. Auf keinen Fall warten wir hier nochmal so lange nur weil die uns wieder vergessen. Diesmal warten wir auch nur 20 Minuten. Der Schleusenmeister fragt uns erstmal kritisch was genau passiert ist. Als ob der nicht weiß, dass die Schleusen ständig Macken haben. Dabei hatte die Schleusenmeisterin von gestern selbst erzählt, das der Abschnitt sehr fehlerbehaftet ist. Wir können heute wirklich nur mit dem Kopf schütteln.
Nachdem der gute Mann dann doch noch seinen Job gemacht hat ging’s weiter. Ich stehe am Bug und versuche eine Fahrrinne zu erkennen und Paul genau auf diese zu lotsen. „Ein Mü mehr Backbord…nee doch wieder Steuerbord“. Immer wieder winken uns Passanten zu und mindestens drei bedeuten uns, dass wir einen schlimmen Algenteppich zu erwarten haben. Das macht doch Laune. Das Algenproblem ist das Gesprächsthema und wir hatten einigen Smalltalk dazu an den Schleusen. Jeder scheint zu sehen wie unschiffbar der Kanal zu sein scheint – bis auf VNF. Das Wasser in den Algenabschnitten ist glasklar und so sehen wir die fetten Fische, die darin leben. Wirklich beeindruckend. Riesige Karpfen und Rotbarsche. Bestimmt auch viele Andere aber ich erkenne nur die beiden 😀 Wir achten penibel auf den Kühlwasserstrahl, der aus unserem Heck pfeffert. Zum Glück ist es um ihn erst wieder still als wir den Motor abstellen. Glück gehabt. Die Algen waren wirklich schlimm. Richtig dicht unter der Oberfläche und fast schon gemütlich weich sehen sie aus. Ständig kuppelten wir den Motor vorwärts und rückwärts ein, um den Propeller etwas frei zu bekommen. Teilweise bewegten wir uns unter Vollgas kaum noch vorwärts, da die Reibung an den Algen so stark war. Wenigstens ist der Rumpf danach geputzt. Immer positiv denken.
Wir schaffen es bis in den Hafen von Montebéliard und haben damit das schlimmste Stück (so sagte man uns) hinter uns. Wir sind sowas von erleichtert und hätten niemals gedacht so weit zu kommen. Zeitgleich legt ein deutsches Segelboot aus der anderen Richtung im Hafen an. Es bleibt aber bei einem „Hallo“. Vielleicht auch besser für die beiden, wir hätten ihnen nichts Schönes für deren weitere Strecke erzählt. Für den morgigen Abschnitt hätten wir uns eigentlich bis 15 Uhr anmelden müssen, da dieser ohne den Telecommander und dafür mit einem persönlichen Schleusenmeister durchgeführt wird. Das hatten wir verpasst. Wir befürchteten schon einen weiteren Pausentag, als ein VNF-Mann extra zu uns auf den Steg kam, um sich nach unseren morgigen Plänen zu erkunden. Durch diesen netten und zuvorkommenden Mann schrumpfte unsere Wut auf VNF wieder etwas. Er meldete uns für morgen an und wir verabredeten uns für 9 Uhr. Glücklich ließen wir den Tag ausklingen.
Am nächsten Morgen sind wir Punkt 9 Uhr abfahrbereit. Der Motor lief schon als unser netter Schleusenmeister ankommt. Wir sollen noch auf ein anderes Boot warten, das ein Schleuse hinter uns liegt. Wegen Personalmangel sollen wir zusammen schleusen. Das hatten wir noch nie. Wir stellen den Motor also wieder aus und warten 40 Minuten nervös und etwas aufgeregt auf unsere Schleusenpartner. Vergebens. Stattdessen kam wieder unser inzwischen gestresst wirkender Schleusenwärter den Steg entlang gehechtet. Das andere Boot hat es sich anders überlegt. Na schönen Dank auch. Also alles wieder auf Anfang. Motor an und los. Dieser Tag lief tatsächlich ohne weitere Zwischenfälle. Jeder Schleuse wurde von unserem persönlichen Schleusenmeister vorbereitet, der uns lächelnd erwartete. Er hilft uns bei den Leinen und so flutschen wir durch den Kanal. So habe ich mir unser Kanalcruising vorgestellt.
Anlegen müssen wir trotzdem schon am frühen Nachmittag, da vor uns die berüchtigte Schleusentreppe (auf 3 Km 10 Schleusen) liegt und wir es da heute nicht mehr durchschaffen würden. Wir halten in Montreux-Château und sind froh aus der Sonne rauszukommen. Der Kanal bietet nirgendwo Schatten und da wir die ganze Zeit nur am Schleusen sind, gibt es auch wenig Gelegenheiten sich in den Schatten der Kuchenbude zu stellen. Wenn man unten in der Schleuse ist, gibt es diesen einen schönen Moment, in dem die glibschige Schleusenwand Kälte abstrahlt und wenn man so dicht wie möglich ran geht ohne Glibber zu berühren, wirft sie sogar ein wenig Schatten. Baden im Kanal ist auch nicht. Wir fühlen uns gekocht und verbringen den Rest des Tages im Schatten. Wir verabreden uns mit einem neuen Schleusenmeister fürs Ablegen um 8:30 Uhr am nächsten Morgen. Unsere Anlegestelle befindet sich genau auf der Wasserscheide und markiert den Kilometer 0 unseres neuen Kanalabschnitts bergab. Wir haben auf dem Kanal schon 170 Höhenmeter mittels 72 Schleusen gewuppt. Am Abend legt noch ein ziemlich großes Motorboot hinter uns an. Dies bewohnen zwei ältere Paare, die leicht spießig wirkten und das Klischee eines Motorbootfahrers wohl unbedingt erfüllen wollten. Direkt nach dem Anlegen wurde das sowieso schon nagelneue und blitzblanke Boot detailliert und präzise von außen geputzt. Na mal sehen ob wir morgen früh Schleusenpartner werden.