Gäste-Premiere

Nach der gruseligen Nacht sollte der Tag nicht weniger versprechen…

Ordentliches Frühstück, und los! Wir wollten die Aue am oberen Ende verlassen, um nicht den Umweg aus dem unteren Ende heraus und gegen den Rhein wieder hoch zu fahren. Problem: die Karte sagte 1,0m für das obere Auenende voraus. Mit der Gewissheit, dass der Strom uns ja wieder zurück von der Untiefe runter schieben würde, versuchten wir unser Glück. Kurz vor der besagten Stelle lagen wunderschöne Hausboote vertäut, zweistöckig und bewohnt. Wir kämpften uns gaaanz langsam vorwärts, immer die Logge im Blick, die uns nicht viel Spielraum versprach. Anscheinend waren wir so langsam, dass einer der Hausbootbewohner herausschaute und nachfragte, ob alles okay sei. Kurze Lagebesprechung mit ihm, dann meinte er: Ach das wird schon passen, und wies und den besten Weg. Nagut, Augen zu und durch.

Oder auch nicht… Am Auenausgang fiel die Logge weiter: 1,5m; 1,4m; 1,4m; 1,3m; 1,2m; … Eigentlich dürfte das gar nicht möglich sein. Da hat anscheinend jemand beim Einstellen der Logge einen gewissen Sicherheitsabstand einprogrammiert. Aber dann, bei 1,1m, spürten wir ein Ruckeln im Boot. Scarlet schubberte eindeutig über Kiel oder Geröll. Oha. Wir krochen (oder noch langsamer) weiter. Toni ging nach vorn an den Bug, um etwas Gewicht nach vorne zu verlagern und Scarlett’s Heck anzuheben. Das klappte prima, das schubbern hörte auf. Doch nur kurz, denn dann kam es wieder. Und wurde mehr. Und mehr. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Augen zu und Vollgas, oder Rückwärts wieder raus. Als ich mich gerade für die Harakiri-Variante entscheiden wollte, steckten wir so richtig fest. So fest, dass auch keine Steuerwirkung mehr da war. Der Rhein drehte uns erbarmungslos quer zur Strömung, während ich verzweifelt am Rad kurbelte und Toni zurief, den Anker klar zu machen. Naja, und dann konnten wir gar nichts mehr tun. Scarlett schrubbte quer in der Strömung über den Rheinsand abwärts, mit einer Krängung von locker 45°. Innen war natürlich nichts seefest gemacht, sodass alles zur Seite flog. Es schepperte und klirrte heftig. Erst rief ich: Sofort Anker runter! Toni hatte ihn schon auf der Wasseroberfläche, als ich merkte dass die Schräglage abnahm und wir anscheinend fast von der Bank unten waren. Also wieder: Haaaalt, Anker auf!!! Gerade noch rechtzeitig, sonst hätte uns der Anker wahrscheinlich mehr geschadet als uns treiben zu lassen. Nach weiteren 5 Sekunden war der Spuk vorbei und Scarlett schwamm wieder frei. Oh man, mir schlug das Herz bis zum Hals. Es hatte eines unserer Weingläser erwischt, sonst war alles Heile geblieben. Der Kiel wird ein paar Kratzer abbekommen haben… Das Ausmaß werden wir sehen wenn wir sie das nächste Mal aus dem Wasser ziehen. Also erstmal nicht… Wir haben an diesem Tag locker zwanzig Mal den Wasserstand in der Bilge kontrolliert 😀

Aber wir hatten es überstanden und sind mit gesenktem Haupt wieder an den Hausboot vorbei um doch den Umweg zu nehmen. Nach drei Stunden auf dem Rhein senkte sich dann auch endlich der Adrenalinpegel wieder. Zu dieser Zeit waren die Rheinpegel so niedrig, dass wir von der Kartentiefe einen weiteren Meter abziehen mussten. Aber sie stiegen, langsam! Das war gut zu wissen für die noch kommenden Hafeneinfahrten.

Weiter ging es Rheinaufwärts.

Hier haben wir die nahe gelegene Tankstelle dankenderweise genutzt. Der Hafen war so gut wie leer, und auch diese Einfahrt war dank des niedrigen Pegels äußerst knapp. Wir hatten stellenweise nur 10cm unterm Kiel. Mit der Aussicht auf steigende Pegel konnten wir jedoch beruhigt schlafen ohne fürchten zu müssen dort im Hafenbecken gefangen zu sein. Erstmal im angrenzenden Pfannkuchenboot nen Kaffee gönnen 🙂

Nächster Halt: Neuwied! Dort wollten Jubert an Bord kommen um uns den letzten Tag nach Koblenz zu begleiten. Auf dem Weg dorthin wurde mir die Landschaft schon sehr vertraut, es fühlte sich wie Heimat an. Ach ja, schönes Mittelrheintal <3

Die letzten Tage kamen wir so schleppend voran, dass wir uns ernsthaft Gedanken über unsere geplante Route machten. Mit teilweise 1 kn über Grund (also rund 2 km/h) kamen wir nicht so recht voran, und das „Gebirge“ zwischen Koblenz und Bingen drohte sogar mit noch mehr Gegenströmung. Dort war es extrem eng und kurvig, und durch diese Achterbahn musste der Rhein sein ganzes Wasser pressen. Die Strecke war so herausfordernd, dass sogar mehrere Ampelanlagen für die Frachtschiffe dort angebracht waren. Spaßen sollten wir mit diesem Rheinstück besser nicht. Mit unserem Motor kamen wir vorraussichtlich gar nicht gegen die Strömung an. Wir waren ja bisher eh schon mega langsam im Rhein unterwegs, für die rund 200 km zwischen Duisburg und Koblenz haben wir am Ende 9 Tage gebraucht. Elendig langsam. Abschleppen lassen von einem Frachter durchs „Gebirge“ stand mal länger im Raum, doch dann hätten wir immernoch den ganzen Rhein bis Straßbourg vor uns… Ich weiß nicht mehr wie, doch auf einmal kam uns die Idee, den Kurs zu ändern. In Koblenz abbiegen, die Mosel hoch, in den Kanal de Vosges und von dort in Saone und Rhone. Die Mosel hätte kaum Strömung, und die Kanäle eh nicht. Wir würden nur leider nicht in Bingen vorbei kommen und direkt vor meiner alten Schule ankern können, was ich schon sehr schön gefunden hätte. Und wenn wir Scarlett in Koblenz liegen lassen würden, wäre sie ne Stunde von meinen Eltern entfernt, nicht wie in Bingen nur 20 Minuten… Tja, aber es half alles nix! Den Sprit und die Zeit die wir auf dem Rhein verballern würden, war es nicht wert.

Neuer Kurs: Mosel!

Das freute auch die Beiden die in Neuwied dazugestiegen sind, denn so würde Scarlett quasi vor ihrer Haustüre liegen wärend wir bei meinen Eltern waren.

Doch erstmal mussten sich die beiden Landratten an den „Seegang“ gewöhnen 😛

Das letzte Rhein-Kilometer-Schild vor dem Abzweig in die Mosel
Das deutsche Eck, aus dieser Perspektive mal was anderes 🙂

Nach einem wunderschönen Tag mit Jubert, ging es rein in die Mosel. Gleich mal die erste Schleuse mit Bravour genommen. Das war etwas gruselig, denn unser letztes Schleusenabenteuer, wenn auch schon etwas her, lag uns noch im Magen. Doch diesmal lief alles glatt. Wir hatten dazu gelernt und legten diesmal mit zwei Leinen in der Schleuse an. Eine Mittschiffs auf der Mittelklampe, und eine etwas weiter vorne an einem Pütting. Es half!

Wir fanden einen hübschen kleinen Verein zum Anlegen, wo Robert und Jule von Bord gingen. Wir sahen uns abends zum Essen bei ihnen zuhause nochmal, wo wir alle vier fast einschliefen von der Anstrengung des Tages 😀 Der Verein war eindeutig schon im Winterschlaf. Aussage des Hafenmeisters am Telefon war: Ihr könnt hier eine Nacht bleiben, aber Wasser, Strom und Duschen sind schon abgeschaltet. Länger bleiben geht auch nicht. Also erstmal ausruhen…

Am nächsten Morgen hatten wir einen Ruhetag vorgesehen, denn wir waren im Allerwertesten. Das sah dann so aus:

Nachmittags haben wir dann Scarlett an einen wunderschönen Ankerplatz in Koblenz-Moselweiß verholt. Die Mosel war hier breit und das Fahrwasser nicht, also massig Platz zum Ankern. Wir konnten beinahe auf 20m zum Ufer wenn wir es darauf anlegten, doch in der Gewissheit dass hier ein paar Tage alleine liegen würde, bei schwankenden Pegelständen, ließ uns etwas Sicherheitsabstand zum Ufer einhalten. Der Buganker grub sich zweimal nicht ein, wir wurden angespannt. Beim dritten Mal fuhr ich mit etwas mehr Gas zum einrucken rückwärts, der Anker slippte gute 50 m und hielt dann auf einen Schlag. Scarlett nickte heftig aufgrund der abprupten Bremsung, und vom Bug schrie Toni auf. Shit! Sie rief, dass es fast die Ankerwinsche aus dem Deck gerissen hätte! Nagut, der Anker hielt, also ich nach vorne. Und was es da zu sehen gab, verdient einen eigenen Blogbeitrag…

02-05.11.2019

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