#57 Sonne und Mond

Während ich mich etwas erkältet in den Salon kuschele, manövriert Paul uns durch das ruhige Wasser des Smålandfahrwassers. Der Wind haucht sacht von hinten und wir gleiten bis schleichen über das ruhige Meer. Es sind kaum andere Boote zu sehen. Friedlich und entspannt ist es heute. Ein Nachmittagstörn aus meinem Segeltraumbuch. Nur das leise Plätschern von Ilvys Rumpf, die Natur und wir. Das kann ich mir nicht entgehen lassen und daher schlage ich mein Genesungslager im Cockpit auf. Jede Menge Kissen und meine Bettdecke machen es mir gemütlich und die wärmende Sonne erledigt den Rest.

Fürs Stricken hab ich immer genug Energie!

Der Wind wird immer weniger, aber dank des Stroms kommen wir etwas voran. In der Flaute schnacken wir mit einem vorbeikommenden Segelboot. Bis zu unserem angepeilten Ziel Vordingborg kommen wir heute wohl nicht mehr, aber der Segler empfiehlt uns eine DT-Boje gleich um die Ecke. Bis dahin schaffen wir es noch. Kurz vor dem Abbiegen aus dem Fahrwasser in Richtung Boje machen plötzlich auftretende Wellen ihr eigenes Spiel. Aus dem Nichts steht eine Welle gegen uns und das bei nahezu Flaute. Verrückt. Der Strom wird hier im Fahrwasser so verengt, dass er Wellen bildet. 5 Meter neben der Fahrrinne ist das Wasser weiterhin spiegelglatt.

Unter Segeln an die Boje und fertig. Ich liebs! Wir haben einen super ruhigen und atmosphärischen Abend. Keine Wellen, kein Wind und Sonnenuntergang der besten Art. Wir haben schon lange nicht mehr außerhalb eines Hafens und nur mit Natur um uns geschlafen.

Mond ist auch am Start

Heute wollen wir es dann aber nach Vordingborg schaffen bzw. in die Ankerbucht davor. Dort liegen wir geschützt und es gibt auch eine Boje. Ich habe das Privileg im Bett bleiben zu dürfen, während Paul das kleine Stück allein segelt.

Pauls Perspektive
Meine Perspektive

Sobald die Sonne raus kommt, werden die Solarpaneele aufgestellt. Das geht sehr gut auch während des Segelns.

Die Bucht vor Vordingborg ist super schön. Die Boje ist zwar schon belegt, aber so kommen wir mal wieder zum Ankern. Den Anker haben wir seid unseren letzten Schären nicht mehr ausgepackt.

Hier bleiben wir einen Tag und warten auf besseren bzw. überhaupt irgendeinen Wind. Wir gucken in die Natur, lesen und Stricken viel. Paul strickt seine Socken fertig und beginnt direkt mit den Nächsten. Ich glaube das mit der Wolle und den Nadeln ist ansteckend!

Ich starte mit Handschuhen. Die Wolle dafür habe ich in Kalmar gekauft und sie ist von kleinen schwedischen Schafshöfen. Es macht großen Spaß mit ihr zu Stricken. Wer Lust hat, mehr von meinen Stricksachen zu verfolgen, kann auf meinem Instagramprofil (@musterpulli) vorbeischauen.

Als ich gerade ein anderes Segelboot beobachte, sehe ich vor ihm einen Schweinswal abtauchen. Seitdem wir wieder in Dänemark sind, sehen wir täglich Schweinswale. In Schweden haben wir keinen einzigen zu Gesicht bekommen. Schnell rufe ich Paul ins Cockpit und wir beobachten nun eine ganze Schule von Schweinswalen in unserer Ankerbucht. Immer mehr tauchen auf, schwimmen im Kreis und tauchen wieder ab. Sie jagen, und ihr Objekt der Begierde scheint in unsere Richtung zu flüchten. Die glänzenden Rücken kommen immer näher bis dicht an unsere Ilvy heran. Wir sind mucksmäuschenstill, halten die Luft an und warten. Sie müssen jetzt direkt unter uns sein. Ich warte nur darauf, dass es „Dong“ macht und ein Schweinswal gegen den Kiel rumst. Und dann sehen wir den Ersten auf der anderen Seite wieder auftauchen. Kein Kiel-Rumser dafür springende Schweinswale. Das haben wir bisher nur einmal gesehen. Die Wale stupsen, schubsen und drehen sich. Was für ein Schauspiel und das vor Anker.

Ein weiterer Sonnenuntergang in der weiten Bucht

Der nächste Tag begrüßt uns mit Sonnenschein. Heute verlassen wir die Brückenlandschaft und fahren in die große Bucht des Smålandfahrwassers – natürlich durch eine Brücke. Streng genommen sogar zwei, denn die Neue wird aktuell gebaut und die Alte noch genutzt. Da wir hier im Mai schon einmal durch gedüst sind, können wir nun den Baufortschritt begutachten.

Danach ist der Segeltag schön und ereignislos. Wir gleiten über das wellenlose Meer und peilen die Insel Omø an. Hier waren wir vor zwei Jahren im Sommerurlaub ordentlich eingeweht und haben viele schöne Erinnerungen an diese Zeit.

Beste Laune
Fertig!
Wer hat die blondesten, salty Sommerhaare?

In Ermangelung eines Autopilots habe ich eine kleine Pinnenarretierung aus Holz geschnitzt. Dort wird eine Leine eingespannt und somit die Pinne gerade gehalten. So kann man als Steuerfrau oder -mann die Pinne auch mal loslassen und sich eine dickere Jacke oder einen Snack holen ohne den anderen hochzuscheuchen. Pauls Vorversion mit Wäscheklammer hatte leider nur ein paar Wochen gehalten.

Kurz vor der Insel Omø kachelt eine der kleinen Fähren dicht an uns vorbei. Offensichtlich möchte sie unbedingt vor uns in den Hafen kommen. Wir haben keinen Stress und segeln entspannt bis zur Hafeneinfahrt. Segel runter, Motor an, Platz gefunden, Leinen fest. Im Hafen liegen nur ein paar hauptsächlich deutsche Segelboote. Kein Vergleich zur trubeligen Sommeratmosphäre von vor zwei Jahren. Aber ich mag es so. Dieses Nachsaison-Feeling.

In diesen Tagen bin ich hin und her gerissen. Seitdem ich in Kiel war habe ich Heimweh. Es war einfach ziemlich verrückt so kurz vorm Schluss zuhause vorbei zu schneien. Die Tage in Kopenhagen waren nochmal so voller Erlebnisse und Eindrücke, dass ich das Gefühl habe bis zum Rand voll zu sein. Nach all der schönen Zeit passt nichts mehr rein. Keine Abenteuer oder großen Sprünge. Noch dazu bin ich weiterhin eingeschränkt mit meinem Fuß und Wanderungen fallen eh aus. Meine Freude auf Zuhause, meine Freunde und alle die Tätigkeiten, die an Bord nicht möglich sind, ist enorm. Und dann komme ich in Omø an, bei strahlendem Sonnenschein und leerem Hafen und freue mich einfach noch unterwegs zu sein und diese tollen Orte nicht mit vielen Menschen teilen zu müssen. Ich genieße es morgens gleich draußen zu seien, über den Strand zu laufen und baden zu gehen. All das werde ich sehr vermissen sobald wir wieder in unserer Stadtwohnung leben. Und so ringen diese beiden Seiten in mir und beschäftigen mich. Mal ist die eine stärker und mal die andere. Aber so ist das wohl am Ende einer so schönen Reise. Ich bin sehr dankbar, dass ich ein Zuhause habe, auf das ich mich freue, wo so schöne neue Abendteuer auf uns warten und in dem wir vermisst werden. ❤️

2 Kommentare

Hej!
Das ist doch völlig normal das man irgendwann nichts mehr „aufnehmen“ kann. Freu Dich auf zu Hause! Ist doch auch schön…
Übrigens hatten wir in Kalundborg mal einen Dschunken-Enthusiasten getroffen. Er war voll Dschunken-begeistert.
Er hatte uns erzählt, das er in Deutschland eine ganze Wollspinnerei gekauft hatte und in Kalundborg etwa 100 Wollschafe hält und Wolle daraus macht. Ich habe leider seinen Namen vergessen…aber Frau Hafenmeisterin kennt ihn bestimmt (er hat auch ein Boot im Hafen liegen…).
Vielleicht ist das nochmal ein kleines Ziel zum Abschluss…
Macht es Euch gemütlich! Viele liebe Grüße

Keine Sorge, Ingo, wir freuen uns sehr auf Zuhause! Nichtsdestotrotz ist hier ein lachendes und ein weinendes Auge am Start…
Wir sind nun schon längst in der dänischen Südsee. Schau doch mal auf der Startseite von fiery-sails.de vorbei, dort findest du eine Übersichtskarte mit unserem Kielwasser 😉

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