Nach diesem letzten eindrücklichen Abend, dem ersten in den Ostschären (die Blekinger mal ausgenommen), legen wir wohlgemut am nächsten Tag ab. Eine schnuckelige kleine Bucht haben wir uns ausgesucht, bei Ålö. Auf dem Weg dorthin hangeln wir uns von Boje zu Boje durch die für uns ungewohnt engen Fahrwasser. Kaum ahnen wir, dass das hier recht weitläufig ist im Vergleich zu dem, was in den nächsten Wochen noch vor uns liegt.
Aber es ist traumhaft: leicht angespannt an der Pinne, aufmerksam Horizont und Karte im Blick, das Segel mit aufgeblähtem Bauch als hätte es den Winter über immer ordentlich Wind gefrühstückt. Die Bojen drücken sich so dicht an uns vorbei, dass wir aufpassen müssen unser weit offenes Segelbündel nicht an ihnen aufzuschlitzen. Ilvy’s schnittiger Bug zerteilt rauschend das blau-grüne Nass, während das Heck gurgelt wie nach einer professionellen Zahnreinigung.
Dann kommt unser großer Moment: Das erste Mal anlegen in den Schären, an einem Stein, zwischen den Felsen. Dazu müssen wir aus dem Fahrwasser abbiegen und ein paar Hundert Meter in die kleine verwinkelte Bucht tuckern. Erst noch unter Segeln, bekommen wir bald Schiss, nehmen den Lappen runter und motoren gaaaaanz langsam weiter. Das Vertrauen in die Seekarten und die Genauigkeit der eingezeichneten Untiefen, Felsen, Steine und Flachs müssen wir erst noch aufbauen… Es geht jetzt so richtig tief rein zwischen die Felsen. Hier steht kein Haus, kein Steg, kein nichts. Es sieht wild aus. Nur ein paar Kühe wenige Meter neben Ilvy geben uns das Gefühl, der Zivilisation noch nicht ganz entkommen zu sein.
Für das erste Mal Fels haben wir uns überlegt, auf den Heckanker zu verzichten. Stattdessen wollen wir sowohl Heck- als auch Bugleinen direkt an der Schäre festmachen. Das erste Mal und wir übertreiben es gleich mal. Standard wäre ja auch zu einfach… Also ran da! Super langsam fahre ich uns mit dem Heck im Wind an den entsprechenden Stein. Ich muss so dicht wie möglich ran, damit Toni gefahrlos übersteigen kann. So machen wir es auch. Durch das glasklare, leicht grünstichige Wasser bugsiere ich unser Ruderblatt bis auf 4 cm an den nächsten Unterwasserfelsen (nicht übertrieben). Klar bin ich angespannt, aber es fühlt sich alles sehr kontrolliert an.
Toni steigt über die Badeleiter auf den luvseitigen Felsen, macht unsere Heckleine am Baum fest und kommt zurück an Bord. Ich fiere die Heckleine bis unser Bug kurz vor dem leeseitigen Felsen steht. Dort steigt Toni wieder über und macht die Bugleinen an Baum und Felsen fest. Ein Hoch auf die Schärennägel (Danke Bruno!), und auf die selbst genähten Scheuergurte, die auch die Rinde der Bäume schonen. Mit dem Schlauchboot bringen wir noch eine zweite Heckleine aus. Dann heißt es: Jucheee, wir liegen fest und sicher! Gewappnet um hier die nächsten Tage eingeweht zu werden.
Und so kommt es auch: Am Ende bleiben wir hier drei Nächte, weil es draußen abwechselnd stürmt und regnet und scheint und blaut. Was für ein Idyll!
Wir sind im Paradies der Wildnis gelandet. Wahnsinn, das hätten wir uns so nicht erträumen lassen. Wohin wir uns umschauen, nur Fels, Wald, Büsche, Stein und Graureiher. So viele Graureiher. Ich habe, glaub ich, noch nie zuvor einen Schwarm von Graureihern gesehen… Hier begrüßt uns ein solcher mit bestimmt 3 Dutzend Reihern. Einfach nur schön!
Das hier werden zwei Tage der Entspannung. Toni strickt und liest, ich spiele Klavier auf den Felsen mit grandioser Aussicht auf die ganze Bucht. Wenn da mal nicht die Kreativität geflossen ist… Wir basteln ein bisschen dies und das, und lassen es uns gut gehen. Ein ganz besonderes Projekt wird das Obstnetz. Toni knüpft es in liebevoller Handarbeit und mit nur minimalem Fluch-Einsatz selbst. Es wird klasse! Da stimmst du geneigter Leser mir wohl zu, oder wat!?
Zur Belohnung der Mühen gibt es ausnahmsweise mal nen Kuchen zur Fika. Den guten eingeschweißten Fertigkuchen von Lidl haben wir uns nun aber wirklich redlich verdient!
Für die fleißigen WhatsApp-Status-Schauer unter euch: hier ist auch das Video mit dem Drohnen-Crash entstanden. Die dabei zugezogenen Verletzungen der Drohne sind im Folgenden zu sehen. Sie fliegt wieder, als wäre nie was gewesen. Echt erstaunlich, was die Kleine so wegsteckt (und mit mir als Pilot auch wegstecken muss…).
Die Leinen halten. Wir prüfen sie mehrmals aufgrund des starken Windes, aber es gibt kein Grund zur Sorge. So schön eingekeilt zwischen den Felsen und Bäumen erreichen uns die meisten Böen eh nicht. Geborgen und sicher, so fühlen wir uns hier an diesem kleinen Fleckchen Fels. Dennoch, wir genießen die willkommene Abwechslung von Sonne und Regen. Beides hat was für sich. Im Regen kommen dann auch nochmal wieder unsere Controller für eine gemeinsame Runde „It takes two“ zum Einsatz.
An einem der regenfreien Nachmittage brauche ich etwas Auslauf. Da ich unsere kleine Insel schon zu Fuß erkundet habe, die anderen aber nur per Boot erreichen kann, schnappe ich mir Wickie und rudere eine größere Runde durch die Schären. Das Boots-Navi läuft mit, und so sieht man meinen Schlängelkurs. Wer findet diesen Track auf der großen Karte unserer Startseite?
Wie schön kann Landschaft bitte sein!? Ich komme aus dem Staunen nicht mehr raus, während ich gegen den recht kräftigen Wind nach Süden rudere. Auf dem Rückweg kann ich mich dann mehr oder weniger einfach mit dem Wind treiben lassen 🙂
Irgendwann kommt Ilvy wieder in Sicht. Ilvy, unsere schnelle Lady, der die Farben Schwedens ganz hervorragend stehen. Ilvy, in die wir so viel Arbeit, Gedanken und Schweiß gesteckt haben, und die es uns mit einer solch fantastischen Reise dankt. Ilvy, mit der es morgen weiter geht…
Wunderschön, dieses Obstnetz! Und die Landschaft erst 😍
Oh jaaa 🙂