Unser Spätsommertraum in Skanör verabschiedet sich mit einem weiteren atemberaubenden Sonnenuntergang. Am nächsten Morgen laufen wir in Surfponchos und mit Kaffeebechern ausgestattet um 6 Uhr früh zur Badestelle. Nach einem Sprung ins kühle Nass schlürfen wir genüsslich das schwarze Gold während immer mehr Badende es uns gleich tun. Viele ältere Menschen kommen mit Holzschlappen und Bademantel für ein Morgenbad vorbei. Es wird geschnackt, gebadet und gegähnt. Dann schlendern wir zurück zu unserer Quietsche-Ente und machen die Leinen los. Es ist immer noch ziemlich heiß, aber der Wind sorgt während der Fahrt für angenehme Abkühlung, sodass wir sogar die Pullis rausholen müssen. Verrückt wie anders sich die Temperaturen an Bord anfühlen im Vergleich zum Land. Oft liege ich in kurzer Hose und Shirt im Cockpit im Hafen während eine Yacht einfährt deren Crew komplett in Ölzeug gehüllt ist.
Vor Kopenhagen wird es trubelig. Einige Segelboot verlassen die Häfen für Wochenendausflüge, große Pötte teilen mit uns ihr Fahrwasser und neben uns starten im Minutentakt die Flugzeuge. So dicht sind wir noch nicht unter großen Flugzeugen geflogen. Es rauscht, faucht und schwappt um uns herum.
Und dann arbeiten wir uns in den Hafen von Kopenhagen vor. Vorgelagert entdecken wir eine alte Festungsinseln, die heute eine Jugendinsel ist und von Jugendvereinen geführt wird. Unter 30-Jährige dürfen kostenlos anlegen und die Katakomben voller Kicker und anderen spannenden Attraktionen entdecken. Wir sind nicht mehr ganz unter 30 und wollen zum Glück auch erstmal weiter in die City. Vorbei an Kreuzfahrtschiffen, Tankern und Containerschiffen.
Wir legen an im Langelinie-Hafen. Der ist recht zentral und normalteuer. Wegen seiner runden Form und der Frequentierung in der Hochsaison gibt es eine gigantische gelbe Warteboje in der Mitte des Hafenbeckens. Hier kann man festmachen und auf eine freie Box warten. Wir sind zum Glück Anfang September hier und finden auf Anhieb ein Plätzchen.
Damit wir nicht gleich wieder weggeschickt werden, wird erstmal die dänische Gastlandflagge gesetzt. Ganz komisch nicht mehr das schwedische Blau-Gelb am Segel zu sehen. Da der Hafen direkt an einer viel besprochenen aber eher unspektakulären Hauptattraktionen Kopenhagens liegt – kleine Meerjungfrau- stapeln sich über uns die Reisebusse und Reisegruppen.
„Und nu?“ fragen wir uns, während wir im Salon sitzen. Irgendwie haben wir gar keinen richtigen Plan für Kopenhagen. Wir waren beide schonmal hier, daher bleibt uns die große Sightseeingtour erspart. In zwei Tagen habe ich Geburtstag und Paul hat für diesen Tag einiges in Petto. Aber was machen wir bis dahin? Wir sind platt vom Segeln, es ist super heiß und mit meinem Fuß sind lange Märsche eher suboptimal. Aber der Tag ist noch jung und wir in einer der beliebtesten Metropolen Europas. Wir geben uns einen Ruck und kommen wieder in Schwung!
Wir laufen durch die Zitadelle, die direkt an unseren Hafen grenzt und leihen uns Fahrräder aus. Das ist in Kopenhagen ganz einfach. An jeder Ecke stehen Leihräder, die man für Stunden oder mehrere Tage leihen kann.
Wir radeln durch die vielen grünen Parks und machen immer wieder Pause unter Bäumen, um der Sonne zu entkommen. Warum suchen wir uns immer Tage mit 26 Grad aus für Städtebesuche? In Stockholm hatten wir ebenfalls so gnadenlose Sonne.
Radfahren in Kopenhagen ist ein Erlebnis. Es gibt überall breite Fahrradwege, die auch nicht einfach irgendwo aufhören. Da die Dichte an Fahrrädern so hoch ist, gibt es ein Handzeichen fürs Bremsen (Handrücken hoch). An den Kreuzungen gibt es Wartebereiche für abbiegende Fahrräder. Wir fühlen uns wie Fahranfänger und schleichen am rechten Rand der Spuren entlang, während links die Einheimischen an uns vorbeiziehen. Parallel suchen wir nach den richtigen Wegen. Verrücktes Kopenhagen. Aber irgendwann sind wir im Flow. Checken das System und machen coole Handzeichen.
Eine kleine Fahrradautobahn durch Parks und Wohnviertel gibt es auch. Entlang dieses tummeln sich Kunstinstallationen, Spielplätze und schöne Gemeinschaftsräume zum Beispiel zum Schachspielen.
Wir landen in einem Café, geben unverschämt viel Geld für eine Fika aus und beobachten das Treiben des Viertels.
Der nächste Tag startet ruhig und gemütlich. Paul liest eingemurmelt in einer Wolldecke ein Buch während ich an meinen Socken weiterstricke – Farbwahl war indiskutabel versteht sich.
Dann bummeln wir Richtung Nyhavn. Das ist der alte Stadthafen und durch seine bunten Fassaden wahrscheinlich Kopenhagens bekanntestes Motiv. Hier entdecken wir einen Traditionssegler mit großem Fejø-Banner. Fejø – die Apfelinsel im Smålandfahrwasser, auf der wir im Mai ein paar Tage verbracht haben. Das Schiff hat Äpfel (angeblich die besten Dänemarks), Cider, Pflaumen und andere Köstlichkeiten von der Inseln nach Kopenhagen gebracht, um sie hier zu verkaufen. Sogar die Verkäuferin kommt uns bekannt vor. Sie hat uns im Café bedient, nachdem wir ohne Snacks 14 Kilometer über die Inseln gestromert sind. Ich glaube sie erkennt uns unter all den Touristen, die auf die Insel kommen, nicht, aber wir sprechen sie trotzdem an und halten einen kleinen Schnack über die Insel und die freundlich grüßenden Inselbewohner.
Am Nachmittag lüftet sich das erste Geburtstagsgeheimnis und ich kriege mein Überraschungsgeschenk schon einen Tag früher. Paul hat sich viele Gedanken gemacht und nach langer Recherche etwas supercooles für mich gefunden: einen Töpferkurs!
Ich hab noch nie getöpfert, aber bin fasziniert von der drehenden Tätigkeit und den Produkten. Alles was man mit der Hand herstellen kann. Als durchsickerte, dass es sich um einen Workshop handelt, war dies mein erster Tipp und Wunsch. Aber der schlaue Fuchs, hat es doch wirklich geschafft mich tagelang an der Nase herumzuführen mit falschen Hinweisen und sich nicht in die Karten schauen lassen. Daher wusste ich bis eine Stunde vor Beginn überhaupt nicht, was wir machen. Umso größer war meine Freude, als ich es dann wusste.
Die Lokation ist ein Traum. Ein licht- und luftdurchfluteter Raum mit viel Platz und der Duft nach Kreativität in jeder Raumecke. Vor den offenen Fenster das Gewusel der Großstadt. Ich komme aus dem Grinsen garnicht mehr heraus und will direkt loslegen.
Das geht es dann auch. Wir lernen im Schnelldurchlauf die Grundtechniken und dann legen wir los. 4 Stunden lang bin ich fokussiert, fasziniert, motiviert und glücklich. Paul sitzt neben mir mit genauso dreckigen Händen, Ton überall und einem breiten Grinsen im Gesicht. Wir zentrieren, ziehen hoch, klatschen wieder hin, fachsimpeln, fragen, gucken skeptisch und dann auch wieder zufrieden.
Töpfern ist deutlich anstrengender als ich erwartet habe. Man muss ziemlich Kraft aufbringen, um den Ton in seine Form zu bekommen. Dennoch bin ich begeistert, dass wir vier wirklich ansehnliche Exemplare hinbekommen, die nun für uns gebrannt, glasiert und nach Deutschland geschickt werden. Was für eine wunderbare Erfahrung! Und ein wunderbares Geschenk!
Spätabends spuckt uns das schöne Atelier wieder aus und wir sind immer noch ganz benommen von den Eindrücken. Vergleichbar mit dem Gefühl nach einem sehr mitreißenden Kinofilm wieder auf die Straße zu treten. Wir setzen uns erstmal auf eine Bank am Kanal und verdauen, tauschen uns aus und überlegen wo in unserer kleinen Wohnung wohl eine Drehscheibe ihren Platz finden könnte. Wir kommen aus dem Grinsen und Träumen garnicht mehr heraus.
Wir holen uns ein paar Abendbrotsnacks im Supermarkt (abends essen gehen ist unbezahlbar) und setzen uns nochmal an den Nyhavn. Die Luft ist sommerlich warm und gefüllt mit Restaurantgeklapper, Geschnatter und Bootsmotoren. Wir sitzen auf der Kaimauer, essen köstliche Weintrauben und verfolgen das Treiben. Was für ein Tag und dabei ist noch nicht mal mein Geburtstag!
Ein Stück weiter ist es ruhiger. Gegenüber der leuchtenden Oper auf einem Holzsteg sitzen wir noch lange und starren aufs Wasser. Das ist die letzte Sommernacht und sie soll nicht vorbeigehen.
Heut ist mein Geburtstag. Aber auch der Tag des Wetterumschwungs. Heute Nacht hat es gewittert, die Temperaturen sind abgefallen und es regnet. Ich freue mich, dass es nichtmehr so heiß ist, aber Pauls nächster Plan fällt somit leider ins Wasser. Kanufahren bei Regen bockt nicht. Aber das ist halb so schlimm. Ich bin noch so beseelt von den gestrigen Erlebnissen, dass ich garkeine Erwartungen an den heutigen Tag habe. Außer meinen Lieblingswollladen!
Es gießt aus Kübeln den ganzen Tag. Trotzdem sind manche mit Rad unterwegs und wir auch. Regenponcho und Ersatzkleidung ist aber Pflichtprogramm. Irgendwie auch schön Kopenhagen nochmal von einer anderen Seite zu sehen.
Gegen 13 Uhr kommen wir bei Knitting for Olive an. Meine Lieblingswollmarke und Laden. Hierauf habe ich mich am meisten in Kopenhagen gefreut und zum Glück auch schon genau geplant für welches Projekt ich Wolle kaufen möchte. Es bleibt „nur“ noch die Farbauswahl. Bei 80 verschiedenen Farben und noch mehr Kombinationsmöglichkeiten eine echte Mammutaufgabe. Ich liebe den Laden, da er so schön aufgeräumt und übersichtlich ist. Es gibt so viele tolle Farben und schon gestrickte Muster, die die Farben kombinieren. Am Display zuhause sind diese Farbnuancen sehr schlecht zu sehen.
Wir verbringen hier ein paar Stunden. Ich möchte einen langen Cardigan mit Muster stricken. Das Projekt wird kosten- und zeitintensiv und daher möchte ich bedacht wählen, Die Tatsache, dass es eine Couch gibt und ich Geburtstag habe, lässt Paul die Prozedur überstehen. Er berät mich fleißig und beantwortet jede Frage – wenn nötig auch zweifach. Da der Laden fast leer ist (Montagnachmittag) hat eine der Verkäuferinnen genug Zeit mit uns zu kombinieren. Sie sitzt neben Paul auf der Couch und strickt Maschenproben während ich um beide rumwusel und immer wieder neue Fundstücke anbringe. Sie bietet von sich aus an mehrere Kombinationen für mich mal anzustricken, damit ich die Effekte der Farben sehe. Wie nett kann man sein? Sie hat sichtlich Spaß an der Beratung und vermittelt alle Zeit der Welt zu haben. Was für ein Erlebnis. Ich fühle mich wie Julia Roberts in Pretty Woman – nur eben in der Wolledition.
Ich kaufe einen Haufen Wolle für jede Menge Geld (mein Geburtstagsgeschenk an mich selbst) und schreite glücklich durch die Tür. Danach erstmal Fika.
Die Tag vergeht wie im Fluge und schon steht das letzte Geburtstagsevent an, welches geheimnisumwoben verschleiert wurde. Paul hat sich wirklich riesig Mühe gegeben mir einen besonders besonderen Ehrentag zu organisieren, der auch noch Fußverletzungs-gerecht ist. Eine kleine Radtour später stehen wir vor einem Spielecafé. Witzig! Hier war ich schonmal mit meiner Mama. Allerdings nur auf einen Kaffee zum Nachmittag. Aber die Lokation hat mich damals schon begeistert und genau hier lotst mich Paul jetzt rein.
Der Laden ist riesig und prompenvoll, ohne Reservierung kommt man hier nicht weit. Doch die haben wir zum Glück zusätzlich zu einer Spieleflatrate. Überall an den Wänden, in Regalen und Schränken stapeln sich die Spiele. Nummeriert und halbwegs sortiert. Wir setzen uns und sind erstmal erschlagen und euphorisch zu gleich. Um uns herum sind alle in Spiele versunken. Von lauten Brüllen bis konzentrierte Strategie ist alles dabei. Wo fangen wir nun an. Damals wurden neben uns „Wer bin ich“ gespielt und das hat mich als Kind schon fasziniert. Wir starten damit. Nach drei Irrläufen und zwei Nachfragen haben wir das Logistiksystem verstanden und finden sogar eine Harry Potter Edition. Noch schnell Snacks per App bestellt und somit langes Anstellen vermieden und los geht’s.
Wir haben einen tollen Abend aber sind auch oft etwas orientierungslos. Wir trauen uns an neue Spiele ran aber das kostet natürlich etwas Konzentration und Durchhaltevermögen, wenn man die Spiele nicht kennt. Beim nächsten Mal würden wir vorab die Website genauer studieren. Hier sind alles Spiele vorgestellt und in witzige Kategorien geordnet. Wenn man sich hier 2-3 passende Exemplare vorab rausguckt, spart man sich wahrscheinlich etwas Verwirrung. Aber so oder so ein tolles Konzept!
Man könnte meinen am Tag nach meinem Geburtstag wird es nun etwas ruhiger. Aber weit gefehlt! Es sind wilde und aufregende Zeiten. Seit Monaten beschäftigt mich der Gedanke meine Ideen zu Garten, Gemüseanbau und mehr Natur in unserem Alltag in die Tat um zu setzen und nicht nur zu denken. Auch wenn in meinen Tagträumen eher ein weites Grundstück irgendwo im nirgendwo vorkommt, muss man ja erstmal anfangen. Also freunden wir uns seit längerer Zeit mit der Idee eines Kleingartens an. Eine kleine grüne Oase und Spielfläche für Projekt mitten in der Stadt. Und vor ein paar Tagen ist eine Anzeige bei Kleinanzeigen hochgekommen, die es mir angetan an. Nach ein paar Telefonaten ist klar, die gucke ich mir an. Einen besseren Knotenpunkt als Kopenhagen gibt es kaum für meine kurzzeitige Rückreise. Und so radel ich um 7 Uhr zum Bahnhof, um einen Zug nach Kiel zu nehmen. Ich kann euch kaum beschreiben wie merkwürdig sich das anfühlt so plötzlich und nur für einen Tag zurück zu sein. Der Garten sieht toll aus. Die offizielle Übergabe steht noch aus und daher ist es noch nicht ganz in trockenen Tüchern, aber das bremst unsere Fantasie in keinem Maße. Wir schwärmen in Möglichkeiten, Sommerabende mit unseren Freunden im Garten und eigenem Gemüse. Drückt uns die Daumen, dass alles klappt.
Während ich in Kiel bin verbringt Paul einen Tag allein an Bord. Da wir immer zu zweit hier sind, ist das schon ein ziemlich einzigartiges Erlebnis dieser Reise. Es ist schlechtes Wetter und daher bleibt er in Kopenhagen und arbeitet viel am PC. Er konstruiert weiter am Dschunkensegel, stellt CFD-Berechnungen an und teilt die Ergebnisse mit der JRA. Für das Magazin des Vereins hat er einen Editoren-Job übernommen und so warten ein paar Aufgaben auf ihn am Rechner. Außerdem pflegt er den Blog, verbessert die Übersichtskarte und schreibt neue Artikel. Und dann kommt auch noch Frederik zu Besuch, der gerade seine eigene Dschunken-Yacht selbst baut und sich unsere Ilvy gerne mal aus der Nähe ansehen möchte – da wird so einiges gefachsimpelt!
Als ich am nächsten Tag zurück komme, haben wir uns erstmal viel zu erzählen…
Ooh! Alles gute zum Geburtstag!
Ein Garten! Tolle Idee! Ich drück Dir die Daumen das das was wird! Ich habe dieses Jahr soo viele Tomaten, Gurken und Salat gehabt wie selten zuvor.
Das macht Dir bestimmt viel Freude…
Wenn Ihr in Kopenhagen noch was sehen wollt: Dänisches Nationalmuseum (kostenlos) – den Sonnenwagen. Erstaunlich lütt wenn man den mal in echt sieht. War früher auf jedem Geschichtsbuch und Briefmarken…ein tolles Museum! Viel Wikingergold…
Rosenborg-Slot voller exklusiver Kunsthandwerklicher Gegenstände (Königliche Rumpelkammer).
Und: Toll getöpfert! Kann ich beurteilen (bin ja Drechsler).
Schöne Grüße!
Hey Ingo! Vielen Dank für deine lieben Worte.
Da wir mit den Artikeln etwas hinter der Zeit sind, können wir deine Kopenhagentipps erst beim nächsten Mal ausprobieren.