#60 Heimkehr!

Am letzten Tag unserer Segelreise klingelt mein Wecker morgens um 5:00 Uhr. Ich schäle mich aus der warmen, kuschligen Bettdecke und stecke den Kopf aus dem Niedergang. Die morgendliche Seeluft weht mir um die Nase. Die Sterne funkeln noch hoch oben über mir, und die ein oder andere Möwe meldet sich zu Wort. Sprichwörtlich wie im Schlaf finden meine Hände ihre eingeübte, erste Aufgabe des Tages, wie jeden Morgen in den letzten fünf Monaten: Kaffee kochen auf Ilvy’s Spirituskocher. Kaum faucht die kleine, blaue Flamme los, fängt es auch schon an zu sieden im Kessel. Ich lehne mich erstmal zurück, genieße die Wärme des Kochers und versuche einen klaren Gedanken zu fassen. Nächster Schritt: Toni wecken. Eine heikle Aufgabe!

Doch es gelingt, und kurz darauf schiebt uns der dampfende Kaffee im Magen an Deck. Wir werfen die Leinen los um diesen letzten Törn anzutreten. Dramatisch genug, denken wir uns, doch der Himmel möchte auch seinen Anteil dazu beisteuern. Vor Sonnenaufgang sind wir schon in der Ansteuerungsrinne von Marstal, und setzen Kurs auf 204°: Kiel.

Das Segeln heute wird nochmal unspektakulär und schön! Wir sind extra so früh losgefahren, da nachmittags der Wind auf Süd drehen und abflauen soll. Aber erstmal geht es richtig gut voran, und die Klippen von Ærø werden bald hinter uns immer kleiner bevor sie im Dunst verschwinden.

Es dauert gar nicht so lange, und schon sehen wir den Kieler Leuchtturm. Was für ein Anblick! Wir sind ganz überwältigt. Jetzt kommen wir wirklich nach Hause.

Leider schläft kurz vor der Einfahrt in die Kieler Förde der Wind ein. Oh nein! Wir werfen kurzerhand den Motor an, um noch vor der Dunkelheit in unserem Hafen in Wellingdorf anzukommen.

Glücklicherweise frischt es kurze Zeit später wieder auf, nun jedoch als Gegenwind. Also Motor wieder aus und gegenan kreuzen. Das macht gar nichts, denn hier ist keine Welle mehr. Stattdessen viele schöne Segelboote, die es an diesem schönen Herbst-Sonntag nochmal raus aufs Wasser zieht.

gespottet!

Und oh, wer ist denn das? Da kommt ja die Pepita auf uns zugesegelt. Freudestrahlend winken uns Olli und Karina zu, und begrüßen uns zurück in der Heimat.

Wir segeln ein bisschen zusammen, und winken und winken und winken. Ach herrlich! 🙂

Und um noch eins drauf zu setzen, taucht ein Schweinswal keine 50 cm neben uns auf und schwimmt parallel zu Ilvy mit uns mit. Ganz knapp unter Wasser, und so nah dass wir ihn anfassen könnten wenn wir uns etwas aus dem Cockpit lehnen würden. Wahnsinn, sowas haben wir noch nie erlebt. Er dreht seinen Bauch nach oben, sodass wir seine helle Unterseite sehen können. Wow, und soooo krass nah. Einmal bin ich mir nicht sicher, ob er Ilvy’s Rumpf mit seiner Fluke tuschiert. Cool! Wahrscheinlich wollte er sich dieses gelbe Etwas da über seinem Kopf mal genauer anschauen.

Und dann segelt uns ein weiteres gelbes Highlight der Kieler Förde entgegen: Henrik mit seiner Proasis. Ihn hatten wir letztes Jahr im Sommer mal zufällig auf einem Ankerplatz in der Förde gesehen, und ich hab ihn einfach mal angeschnackt. Wir kamen sofort in ein tolles Gespräch, und er hat mir alle Innovationen und Details seiner selbstgebauten Proa gezeigt. Spannender Typ, und sehr spannendes Projekt. Wir segeln ein kleines Stück zusammen, und verabreden uns zu einem gemeinsamen Probesegeln auf Ilvy. Kurz darauf trennen sich unsere Kurse schon wieder.

Hallo Kiel!

Ja, und dann sind wir wirklich da. Wir segeln in die Schwentinemündung hinein, und sehen am Steg schon heftig winkende Menschen. Ach wie ist das schön, wieder nach Hause zu kommen. Beim Einlaufen in den Hafen verdrücken wir beide ein paar große Tränen, es ist einfach richtig schön wieder in vertrauter Umgebung zu sein. Ohne groß nachdenken zu müssen flutscht das Anlegemanöver und wir liegen in unserer Box, so, als wäre nie was gewesen… Wir sind überwältigt! Am Steg warten Vera, Flo, Morlin, Janosch, Karina und Olli. Wir fallen uns in die Arme und freuen uns riesig, unsere Freunde wieder zu sehen!

Tabelle mit Meilen/Monat

Nach einem wunderschönen Abend zusammen, mit vielen Geschichten und strahlenden Gesichtern, ist irgendwann auch die Letzte von Bord gegangen. Ach war das schön, ein richtig toller Empfang. Nun fallen wir aber hundemüde und erschlagen von den Ereignissen und Emotionen des Tages zusammen. Heute schlafen wir nochmal an Bord, eine letzte Nacht auf unserem schaukelnden Zuhause.

Am nächsten Morgen stehe ich früh auf und hole Brötchen bei unserer Lieblingsbäckerei Rönnau, denn es kommen Meike, Mario, Jonte und Ava zu einem Begrüßungsfrühstück vorbei. Die Vier bringen noch leckeres, selbstgebackenes Bananenbrot mit, und das Frühstück wird ein Fest! Es ist richtig schön, sie alle wieder zu sehen bzw. Ava zum ersten Mal begrüßen zu dürfen.

Dann packen wir alles Nötige in zwei Ikea-Tüten, und nehmen den Bus zu unserer Wohnung. Kaum sind wir drin, stellt sich erstmal ein seltsames Gefühl ein: war die Bude schon immer so klein!? Wir hätten erwartet, dass sie uns nach der Enge auf Ilvy wie ein riesengroßer Palast vorkommt 😀 Und es sieht hier einfach so vertraut aus, als wären wie nie weg gewesen. Kulturschock! Doch es ist auch schön, wieder hier zu sein. All der Luxus, den wir an Bord entbehrten: eigene Dusche, Waschmaschine, Spülmaschine, großes Bett – und besonders für mich wichtig: überall Stehhöhe!

Wir verbringen die nächsten Tage damit, alles, wirklich alles alles, zu putzen und die Schränke wieder einzuräumen. Dabei nutzen wir die Gelegenheit, und sortieren aus was wir nicht wirklich brauchen. Nach dem minimalistischen Leben auf Ilvy wirkt vieles von dem, was wir über die Jahre angehäuft haben, überflüssig.

Außerdem kümmere ich mich um die Reparatur unseres Autos: Bei der allerletzten Fahrt zur Proviantierung von Ilvy vor unserer Abfahrt hat die hintere linke Trommelbremse aufgegeben. Wir haben den Wagen einfach nur noch in die Garage gefahren und abgeschlossen, um uns in fünf Monaten drum zu kümmern. Und jetzt ist eben fünf Monate später. Ich zerlege und erneuere die beiden Bremsen hinten, Christian lässt mich seine Grube benutzen (Danke!) und am Ende der Woche haben wir wieder einen funktionierenden Untersatz.

Finde den Fehler!
Besser!

Liebenswerterweise leiht uns Henry währenddessen sein Auto, sodass wir Ilvy schonmal größtenteils ausräumen können. Echt toll von dir, Henry, danke!

Auch Kiel hat dramatisch-schöne Ansichten zu bieten!
Es wird leer auf Ilvy

Die Tage nach der Ankunft werden arbeitsreich und anstrengend. Gleichzeitig ist es schön zu sehen, dass unser Zuhause wieder Gestalt annimmt, die Umzugskisten immer leerer werden und alles gemütlicher wird. Wir schieben immer mal wieder typisch Kieler Tätigkeiten ein, wie zum Beispiel einen Kaffee mit Croissant früh morgens auf dem Markt bei uns um die Ecke. Unser Lieblings-Barista Leo traut seinen Augen kaum als er uns nach fast einem halben Jahr wieder sieht, und es gibt ein großes Hallo 🙂

Nichtsdestotrotz zieht es mich mal wieder raus aufs Wasser, und am Donnerstagabend führe ich Ilvy zum Sonnenuntergang zu einer kurzen Einhand-Runde durch die Förde aus. Die Kiellinie (so nennt man die Kieler Seepromenade) wirkt so vertraut, das Seegebiet hier einfach wie meine Heimat. Richtig schön! Und gleichzeitig seltsam wieder hier zu sein, mit all den noch sehr frischen Erinnerungen und Eindrücken der Reise im Kopf…

Ansonsten räumen wir Ilvy aus, und putzen einmal gründlich durch. Auch Wickie, das Sonnensegel und die Solarpanele werden getrocknet und von Bord geräumt. Fürs erste werden sie nicht mehr gebraucht…

Samstagabend steht dann noch ein leuchtendes Highlight unseres Segelvereins EWSK an: die Lampionfahrt! Hier werden die beteiligten Boote mit allerlei Lichterketten und Leuchten verziert, und dann fährt eine ganze Kolonne von atmosphärisch beleuchteten Yachten im Dunkeln die Schwentine rauf und runter. Wir haben Vera, Mario, Jonte, Chris, Yana und Emma an Bord. Es wird voll in Ilvy’s Cockpit, und sehr gesellig 🙂 Den Bericht über die Lampionfahrt gibt’s hier.

Auch Scarlett ist am Start 🙂

Für den nächsten Morgen, ein Sonntagmorgen, genau eine Woche nach unserer Ankunft in Kiel, verabreden wir uns mit Chris, Yana und Emma zum gemeinsamen Frühstück in der Sonne an Bord. Dafür stehe ich früh auf und segle Ilvy vom Ostufer ans Westufer zur Reventloubrücke. Das ist hier für alle deutlich näher, und wir haben so einen tollen Blick auf die Kiellinie: Wir können beobachten, wie Kiel langsam wach wird, die ersten ins kühle – oder inzwischen eher eisige – Nass springen, sich einen Kaffee bei Moby abholen, Kinderwägen über die Promenade schieben oder Yoga auf der angrenzenden Wiese praktizieren. All das, während wir gemütlich im Cockpit in der Sonne sitzen, lecker frühstücken und erzählen 🙂

Nach mehreren Stunden ist auch das letzte Brötchen verzerrt, und die drei brechen wieder auf. Toni und ich auch, zu einem ersten gemeinsamen Segeltörn – nach der Reise. Wir treffen kurz die Pepita auf der Innenförde, dann ziehen wir raus nach Norden. Bis zum Friedrichsorter Strand und zurück segeln wir, und werden auch hier wieder fleißig fotografiert. Zumindest das hat sich seit Schweden nicht geändert!

Damit sind wir zurück in Kiel, in unserem Landleben angekommen. Eine Woche seit unserer Ankunft ist verstrichen, und wir fühlen uns hier sehr wohl! Nach und nach treffen wir immer mehr unserer Freunde, und kommen immer weiter an. Die Umzugskisten werden leerer, und die Ordnung in der Wohnung größer. Da Ilvy diesen Winter im Wasser bleibt, freuen wir uns auf noch viele weitere schöne Segeltage in den nächsten Wochen.

Ein herzliches Dankeschön an alle die hier auf unserem Blog unsere Reise verfolgt haben. Wir sind glücklich, dass ihr es auf 1522 Seemeilen (2819 km) spannend genug fandet um dabei zu sein! Über all die Nachrichten und Kommentare von euch haben wir uns unterwegs echt sehr gefreut, das war eine schöne Verbindung und hat uns oft gespiegelt, in welcher Schönheit wir uns bewegten. Vielen Dank! 🙂


Monatgesegelte Strecke
Mai370 sm/ 685 km
Juni250 sm/ 463 km
Juli207 sm/ 383 km
August406 sm/ 752 km
September289 sm/ 535 km
gesamt1522 sm/ 2819 km

Mit diesem letzten Reisebericht ist dieser Blog noch lange nicht zu Ende. Wir haben noch einiges loszuwerden, u.A. Allgemeines zur Reise, Technik-Artikel und Beiträge aus der Refit-Phase, umgesetzte Ideen an Bord, schwedische Eigenheiten und wie Wolken auf See aussehen. Es bleibt spannend!

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